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Gesellschaft

Geh doch zu Momo…

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Oder: Was hat Momo mit Mediation zu tun? Über die erstaunlichen Möglichkeiten, Konflikte im Miteinander zu lösen, wenn denen, die in sie verstrickt sind, respektvoll begegnet wird.

von Marc Bracht

Wer erinnert sich nicht gerne an Momo, die sanfte Dystopie aus dem Kinderbuchregal; eine Geschichte aktueller denn je und nicht nur für Kinder lesenswert und lohnend, so viel steht fest. Bunte und graue Episoden aus der näheren Umgebung rund um das alte Amphitheater mit alltagstaulichen Einsichten und weiser Weltsicht hat uns Michael Ende 1973 serviert. Was ist an Momo dran 46 Jahre später? Was sagt Momo aus über Mediation?
Neben einer facettenreichen, märchenhaften Geschichte wird in dem Roman ein anschauliches Beispiel dafür skizziert, was Mediation ausmacht und es lässt sich ahnen, wie durch Mediation in einen verkrusteten Konflikt Bewegung kommen kann, wo keine Bewegung mehr denkbar schien. In besonders prägnanter Erinnerung bleibt der Satz: „Geh doch zu Momo“ und wer sich nicht mehr erinnert, was damit gemeint war – also bitte: Wenn es einmal knirschte im sozialen Gefüge rund um den zentralen Ort der Geschichte, die Ruine des alten Amphitheaters, in dem sich Momo nach der Flucht aus staatlicher Verwahrung häuslich niedergelassen hatte, dann war „Geh doch zu Momo“ die Formel, nach der eine Versöhnung der Streitparteien gelang.

Zuhören können

Mit einer außergewöhnlichen Art anderen zuhören zu können, gelingt es Momo, zwei verfeindete alte Bekannte dazu zu bringen, einen erbitterten Streit zu beenden, in dem es um Betrug, Kränkungen, auch Tätlichkeiten ging. Wie das? Erst nachdem Freunde und Bekannte sie geschickt und gedrängt haben, gehen die beiden überhaupt erst zu Momo ins Amphitheater, suchen sich dort Plätze möglichst weit voneinander entfernt, weil sie sich sicher sind, kein Wort mehr miteinander zu reden. Momo ist für beide gleichermaßen da, hat für beide gleichermaßen Zeit und Interesse, wählt einen Platz mit Bedacht genau in der Mitte zwischen den beiden und hört zu mit aller Aufmerksamkeit und aller Anteilnahme. Und es wirkt: Beide erzählen Momo nach und nach ihre Sicht des Streitgeschehens und arbeiten sich so vor bis an die Quelle der Querele. Dort angelangt sind die beiden in der Lage, den Blick über das Dickicht ihrer Streitverstrickung zu heben und in der Folge den Konflikt als geklärt und überwunden zu betrachten.
Jemand wie Momo in greifbarer Nähe zu wissen, lohnt sich. Das leuchtet ein. Doch Momo ist eine Märchenfigur; eine, die allerdings viel für die wirkliche Welt zu bieten hat: neben generellen Aussagen über Gesellschaft einerseits eine konkrete Idee, wie mit einem Konflikt anders umgegangen werden kann als mit fortschreitender Verhärtung der Fronten, betonierter Kommunikation, feindseliger Beziehung und erwartbarer Eskalation, die oft nur von von außen abgeregelt werden kann – wir seh’n uns vor Gericht. Natürlich hat diese Idee auch eine grundsätzliche gesellschaftliche Bedeutung. Diese Idee findet sich auch in der Mediation (lat. Vermittlung), einem strukturierten, konstruktiven, freiwilligen und vertraulichen Verfahren zur eigenverantwortlichen und einvernehmlichen außergerichtlichen Konfliktlösung.

Interesse zeigen

Was die besondere Fähigkeit der Figur Momo war, ist auch heute die Voraussetzung für das, was in einer Mediation eine zentrale Bedeutung hat: Zuhören können, gemeint ist das aktive, empathische Zuhören. Ein Zuhören, das nicht einer Konfliktseite exklusiv zuteil wird, sondern allen Beteiligten gleichermaßen; das allen gleichermaßen Interesse entgegen bringt und damit den Interessen aller Beteiligten Rechnung tragen kann. Damit ist gleichzeitig die zentrale Haltung eines Mediators beschrieben, die über selbstverständliche Neutralität hinausgeht und mit dem sperrigen Wort Allparteilichkeit beschrieben wird.

Initiative ergreifen

Im Märchen heißt es: Geh doch zu Momo. Die Streitparteien zu schicken liegt nahe, denn sich selbst auf den Weg aus dem Konflikt zu machen, scheint den Streitenden geradezu unmöglich; mit der anderen Seite ins Gespräch zu kommen beinahe irreal, ein erneutes gemeinsames Regeln einer Situation unrealistisch. Ein kleiner Schubser von außen ist dabei eine große Hilfe. Ohne diesen kleinen Schubser wird es oft nichts mit der großen Chance auf kooperative Konfliktbeilegung. Also: Geht doch zur Mediation.
Neben aktivem Zuhören können im Mediationsverfahren noch andere Register gezogen werden: zum Beispiel Perspektivwechsel – mehr davon in der nächsten STUZ oder im Gespräch mit Marc Bracht, zertifizierter Mediator, am Telefon montags und donnerstags von 15 bis 17 Uhr unter 0179 – 721 42 45 oder am Mittwoch, den 15. Mai von 17 bis 19 Uhr im anything but coffee, Boppstraße 7.

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