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Wiesbaden

Die Teestube, Rettungsanker für Obdachlose

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Acht Hauptamtliche und über 100 Ehrenamtliche engagieren sich bei der Teestube der Diakonie Wiesbaden für Menschen in Not. Leiter Matthias Röhrig erklärt, welche Schwierigkeiten obdachlose Menschen haben und wie jeder helfen kann.

Interview Shayan Julien Mirmoayedi

STUZ: Herr Röhrig, welche Schwierigkeiten haben obdachlose Menschen in Wiesbaden?

Matthias Röhrig: Jetzt im Winter ist die Kälte natürlich ein großes Problem. Gerade letztes Jahr als die Passagen und Geschäfte geschlossen waren, hatte sich die Lage verschärft. Da mussten jemandem mehrere Fußzehen abgenommen werden, weil sie abgefroren waren. Solche Dinge erleben wir immer wieder. Ein weiteres Problem ist, dass sich Ärzte weigern Menschen ohne Krankenversicherung zu impfen. Außerdem gibt es kaum öffentliche Toiletten in Wiesbaden. Auch, da Möglichkeiten Weihnachten zu feiern ausfielen, war die Teestube durchgehend bis zum 30. Dezember geöffnet. Früher habe ich immer mit großer Überzeugung gesagt: In Deutschland muss kein Mensch verhungern. Das würde ich inzwischen revidieren. Die Osteuropäer, die vermehrt hierher kommen, haben keinen Anspruch auf Sozialleistungen, sodass sie auf die Versorgung durch andere angewiesen sind.

Welche Ansprüche haben Menschen aus anderen EU-Ländern denn?

Wenn sie hier nicht gearbeitet haben und keine Kinder haben, keine. Diese Menschen, die oft aus Osteuropa kommen, werden dann häufig als billige Arbeitskräfte ohne Mindestlohn missbraucht, da sie meist nicht deutsch sprechen und missinformiert werden. Andere leben in ihren Heimatländern am Rande der Gesellschaft und haben hier vom Flaschensammeln und kostenlosen Mahlzeiten tatsächlich ein besseres Leben und bleiben.

Welche Angebote bieten Sie in der Teestube an?

Wir bieten täglich eine warme Mahlzeit, einen Aufenthalt im Innenraum für bis zu 20 Personen, eine Grundversorgung mit Toiletten, Duschen, Waschmaschinen und eine Notkleiderkammer an. Vier Sozialarbeiter beraten zu allen Problemen und durch unsere starke Vernetzung können wir Menschen in Hilfsangebote vermitteln. Außerdem bieten wir eine Notübernachtung mit zwölf Plätzen und eine notfallmäßige medizinische Versorgung an. Über verschiedene Mittel haben wir zudem die Möglichkeit Facharztbehandlungen oder Operationen zu finanzieren, Medikamente zu verschreiben oder ein menschenwürdiges Sterben zu ermöglichen.

Wie viele Menschen müssen sie wegen fehlender Kapazitäten wegschicken?

Es gibt die Wiesbadener Winterregelung, wonach alle Wohnungslosen, die sich in Wiesbaden aufhalten, untergebracht werden können, egal ob sie einen Anspruch auf Sozialleistungen haben. Das geht zum Beispiel beim Männerwohnheim „Heilsarmee“. Im Winter gäbe es in Wiesbaden also grundsätzlich genügend Kapazitäten für eine Notübernachtung. Aber nicht alle wollen oder schaffen das, da sie dann auf Alkohol oder Zigaretten verzichten müssen oder aufgrund psychischer Erkrankungen mit der Nähe nicht klarkommen. Viele richten sich auch in der Fußgängerzone ein, weil sie sonst all ihren Besitz herumtragen müssten.

Sie haben kürzlich auf Plakaten mit Schriftzügen wie „Eine Bank ist kein zuhause!“ auf die Situation von Obdachlosen aufmerksam gemacht. Welche Forderungen haben Sie an die Bundes- und Kommunalpolitik?

Es muss eine Lösung geben für die Menschen aus Osteuropa, die hier stranden und nicht weiterkommen. Konkret in Wiesbaden wünschen wir uns einen speziellen Aufenthaltsraum, wo man sich tagsüber ausruhen kann und Beratung erhält. Wir haben seit letztem Winter ja die Wiesbadener Winterregelung und ich wünsche mir, dass das nach der Pandemie fortgeführt wird. Gemeinsam mit der Stadt und anderen Akteuren arbeiten wir etwa am Projekt „Wohin?“. Ein Beschluss der schon besteht ist, dass die Straßensozialarbeit gestärkt werden und das erwähnte Toilettenproblem angegangen werden soll.

Wie kann man Ihre Arbeit unterstützen?

Am besten fragt man, was wir aktuell brauchen. Derzeit sind es Herrenkleidung, haltbare Lebensmittel, Hygieneartikel oder FFP 2 Masken. Am einfachsten für uns sind Geldspenden, da wir diese dann zielgerichtet einsetzen können. Wir merken auch, dass die Wiesbadener Bevölkerung Obdachlose selbst versorgt. Es ist einerseits toll, die Schattenseite ist, dass diese Menschen häufig dann nicht mehr in die Teestube kommen und wir bei Verwahrlosung oder Krankheit nicht rechtzeitig helfen können. Wenn zudem eine Überversorgung stattfindet, gibt es ein Rattenproblem und die Leute bekommen durch Rattenbisse schwere Verletzungen. Wichtig ist es also mit den Menschen zu sprechen und konkret zu erfragen, was sie benötigen – sie wie jeden anderen auch zu behandeln.

Weitere Informationen und die Bankverbindung für Spenden finden Sie auf dwwi.de.

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