Vom Badehaus zur Kleinkunstbühne

Theater, Kabarett, Musik – es ist viel los auf und neben den Bühnen der STUZ-Region. Wir stellen die Spielstätten in der Region vor. In dieser Ausgabe: Theater im Pariser Hof.
von Tim Porzer
Schon im 18. und 19. Jahrhundert war die enge Spiegelgasse in Wiesbadens Innenstadt ein beliebtes Freizeitziel. Wer damals das Gebäude, das heute die Hausnummer 9 trägt, ansteuerte, war auf der Suche nach guten Gesprächen in geselliger Runde – und fand diese im dortigen Badehaus. Die hauseigene Schwefelquelle ist geblieben, ebenso die Geselligkeit – nur, dass heute nicht mehr Badegäste, sondern Kleinkunstliebhaber:innen in dem historischen Gebäude auf ihre Kosten kommen. Von Donnerstag bis Sonntag bringt das Theater im Pariser Hof ein abwechslungsreiches Programm aus Kabarett, Satire und Comedy, ergänzt durch musikalische Darbietungen und Lesungen, auf die Bühne. Neben dem traditionellen französischen Kabarett deckt das kabarettistische Bühnenprogramm längst Themen rund um Politik, Finanzwesen und Musik ab. Auch bei den auftretenden Künstlerinnen und Künstlern setzt das Theater auf Vielfalt. „Wir verstehen uns immer noch als Nachwuchsbühne“, betont Philline Kuhl. Sie ist die engagierte Seele des Hauses. Zudem kümmert sie sich um die Geschäftsführung und das Marketing. Bezüglich der Auswahl der Acts ergänzt sie: „Wir haben ein festes Programm, aber auch junge Kunstschaffende, die ihre ersten Programme präsentieren. Dazu kommen gestandene Künstler, die hier etwas ausprobieren und die Nähe zum Publikum suchen.“
Einladendes Ambiente
Das Herzstück des Bühnenprogramms ist der gemütliche Theatersaal, der mit der klassischen Bestuhlung des französischen Kabaretts bis zu 120 Gästen Platz bietet. So entsteht nicht nur das Gefühl, die Vorstellung gemeinsam zu erleben, sondern sie auch unmittelbar präsentiert zu bekommen. Der Charme des Innenstadttheaters erwächst aus der gemütlichen, privaten Atmosphäre. So erwartet die Gäste am Ende des engen Treppenaufgangs ein kleines, gemütliches Salonzimmer mit Sofa, Sitzgelegenheiten und Klavier. Mit der benachbarten Bar laden die Räumlichkeiten dazu ein, sich bei einem Getränk auf die Veranstaltung einzustimmen und sich in der Pause oder im Nachgang der Vorstellung über diese auszutauschen. Denn zum Kabarett und zur Satire gehört der Diskurs. „Aus der Historie gewachsen sind wir immer noch ein Ort der Begegnung“, fasst Kuhl die Geschichte des Hauses im gegenwärtigen Konzept zusammen. Der Barbereich bietet nicht nur eine Auswahl an regionalen Weinen und Longdrink Specials, sondern unter dem Motto „Theater ohne Kater“ auch eine breite Auswahl an antialkoholischen Erfrischungen. An der Bar bietet sich auch die Chance, mit dem Künstler oder der Künstlerin ins Gespräch zu kommen: „Man kann sich auch dem Künstler stellen, der ist oft sehr nahbar und geht auch an die Bar“, verrät Kuhl.
Bühne mit Geschichte
Mittlerweile arbeitet die Kleinkunstbühne mit einem Team aus rund 20 Personen. „Hier steckt sehr viel Herzblut drin“, weiß Kuhl und erzählt: „Wir haben uns aus einem kleinen Verein hochgearbeitet und zunehmend professionalisiert.“ Erstmals wurde der Theaterbetrieb in dem Gebäude bereits 1986 unter dem Namen „Pariser Hoftheater“ eröffnet und bis 2014 fortgeführt. Seit 2015 ist die Bühne mittlerweile unter dem heutigen Namen und unter Federführung des dahinterstehenden Vereins „Theater im Pariser Hof e.V.“ aktiv. Der erfolgreiche Spielbetreib zeigt in der Reichweite Wirkung. „Früher war Mainz sehr weit weg, mittlerweile kommen auch immer mehr Besucher aus Mainz“, freut sich Kuhl. Mittlerweile seien auch zunehmend Gäste aus Frankfurt, Aschaffenburg und Worms zu verzeichnen. Viele Zuschauer kommen besonders dank Mundpropaganda. Zu den etwa 40 Prozent Stammpublikum kommen 30 Prozent neue Gäste und 20-30 Prozent aufgrund der auftretenden Künstler.
Mehr als Bühne
Wenn die Bühne nicht gerade durch den Spielbetrieb ausgelastet ist, können die Räumlichkeiten auch für private oder geschäftliche Veranstaltungen gemietet werden. In der Vergangenheit fanden darin bereits ein Wahlformat für junge Menschen, Aktivitäten der Dance Academy und der Staatskanzlei statt. Auch der Platz vor dem Innenstadttheater soll künftig zu einer Kulturoase erweitert werden. Komme das Vorhaben zustande, werde das Theater im Pariser Hof den Platz in Form von Matineen bespielen, berichtet Kuhl.
Insgesamt beobachte sie eine Professionalisierung in der Kleinkunst, die auch den veränderten Anforderungen des Publikums Rechnung trage: „Man möchte ein Erlebnis“, weiß die Expertin. Auch der Ausbau von Netzwerken und Partnerschaften habe an Bedeutung gewonnen. Eine Kooperation, die sich zu einem „freundschaftlichen, kollegialen Miteinander“ entwickelt habe, bestehe mit dem thalhaus Theater Wiesbaden, das im nächsten Teil dieser Serie vorgestellt wird.
WTF
Theater im Pariser Hof
Spiegelgasse 9
65183 Wiesbaden
theaterimpariserhof.de