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Gesellschaft Mainz Stadt Wiesbaden

Sichtbar und sicher queer?

Mainz und Wiesbaden fördern queere Sichtbarkeit und haben engagierte Communities. Dennoch sind die zunehmende Ablehnung und Ausgrenzung in den Städten spürbar. Wie queer-freundlich ist das STUZ-Gebiet und wo sehen die Vereine und Initiativen Handlungsbedarf?

von Paula Herrmann

Mainz bietet viele Angebote, Initiativen und Anlaufstellen für queere Menschen. Seit 1993 findet hier jährlich die queere Bewegung „Sommerschwüle“ statt, auch bekannt als Christopher Street Day (CSD). In diesem Jahr haben über 10.000 Menschen am Mainzer CSD teilgenommen. Die rheinland-pfälzische Landeshauptstadt hat auch einige Safe Spaces zu bieten: Die Bar jeder Sicht stellt für queere Menschen einen besonderen Wohlfühlort dar. Veranstaltungen wie die Party-Reihe „Queer ins Wochenende“ auf dem Campus der Uni Mainz und der sogenannte „Takeover Friday“, ein queerer Kneipenabend in wechselnden Lokalen, zeigen, wie bunt und vielfältig die Mainzer Partyszene ist. In Wiesbaden sieht es ganz ähnlich aus. Auch hier gibt es einige Angebote und Anlaufstellen für queere Menschen. „In Wiesbaden hat sich in den vergangenen Jahren enorm viel bewegt – und das spüren wir in der Community sehr deutlich“, findet Viktor Ortmann, Vorstand des Vereins Warmes Wiesbaden. Das Queere Zentrum Wiesbaden, das von der Stadt unterstützt wird, stellt einen Safe Space für die Community dar. Auch das Kulturzentrum Schlachthof Wiesbaden ist ein Ort der Sichtbarkeit. Vor rund 14 Jahren wurde dort die „Let’s Go Queer“-Partyreihe ins Leben gerufen – heute eine der größten queeren Veranstaltungen im Rhein-Main-Gebiet. Auch in Wiesbaden findet jährlich ein CSD namens „Pride“ statt. Ein weiteres Ereignis in Wiesbaden ist die „Homonale”, ein queeres Filmfest in der Caligari Filmbühne.

Diskriminierungen und Angst
Aktuell beobachten die Vereine zunehmend mehr Diskriminierungen und Beleidigungen in beiden Städten. Neben verbalen Angriffen kommt es teils auch zu körperlicher Gewalt. Zudem sind homophobe Äußerungen auch bei Jugendlichen zu beobachten. „Das sind die Änderungen, die wir feststellen in der Sprache, im Auftreten, in der Selbstverständlichkeit: Queer ist scheiße, Regenbogenfahnen sind scheiße. Das sind Narrative, die sich in einer Alltagskommunikation deutlicher artikulieren als sie das je getan haben“, erklärt Joachim Schulte, Sprecher von Queernet RLP, die Entwicklung der Queer-Feindlichkeit. Eine Tat mit homophobem Hintergrund stellt das mehrfache Beschmieren der LSBTIQ-Gedenkstele am Ernst-Ludwig-Platz in Mainz dar. Diese erinnert an die queeren Opfer der NS-Diktatur und ist seit ihrer Einweihung 2021 bereits dreimal beschmiert worden. Auch in Wiesbaden ist eine Entwicklung der Queer-Feindlichkeit zu beobachten, die Diskriminierungen und Angriffe nehmen zu. Besonders auf Social Media werden der Hass und die Ablehnung spürbar. Die Verbreitung von Hasskommentaren führt dazu, dass der Verein Warmes Wiesbaden zeitweise seine Facebook Kommentarspalte geschlossen hat. Auch die Angst vor Rechtsradikalismus ist ein Thema: Besonders unsicher fühlen sich Trans-Personen – teilweise vermeiden sie aus Angst bestimmte Veranstaltungen. „Wer sichtbar ist, ist angreifbar“, erklärt Kipo Brehm, Pädagogische Leitung des Queeren Zentrums Wiesbaden. Besonders Orte, wo viele Menschen zusammenkommen, bereiten der Community Unbehagen, zum Beispiel öffentliche Verkehrsmittel.

Handlungsbedarf und Unterstützung
Beide Städte wünschen sich von der Gesellschaft Zivilcourage, sei es im öffentlichen Raum oder auch privat. Für das Queere Zentrum Wiesbaden ist die Investition in Bildung und Aufklärungsarbeit enorm wichtig. Auch Mainzer Communities haben den Wunsch an die Gesellschaft, sich viel deutlicher gegen Ausgrenzungsnarrative zu wehren, vor allem in den sozialen Medien. Mainzer Vereine betonen zudem die Bedeutung queerer Safe Spaces. Die Bar jeder Sicht müsse dringend ausgebaut werden. Sie ist in einer engen Straße ohne Möglichkeit eines Außenbereichs gelegen. Diese Safe Spaces sind für die queere Community sehr wichtig. In den städtischen Jugendzentren fühlen sich queere Jugendliche teils nicht wohl. Generell weisen beide Städte ein buntes, queer-freundliches Programm auf und werden von der Lokalpolitik unterstützt. Die queere Community ist sich jedoch bewusst, dass die aktuelle Situation bedrohlich und fragil ist. Der Status quo, der bereits für selbstverständlich gehalten wird, kann sich jederzeit wieder ändern. Daher ist es wichtig sich auch in Zukunft für ein queer-freundliches STUZ-Gebiet einzusetzen.

WTF
Mainz:
Queernet Rheinland-Pfalz, Schwuguntia Mainz,
Bar Jeder Sicht

Wiesbaden:
Warmes Wiesbaden, Queeres Zentrum Wiesbaden,
Schlachthof Wiesbaden

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