Lade

Tippen zum Suchen

Gesellschaft Mainz Stadt

Zehn Kilo Rindfleisch oder nach Madrid?

Was kostet uns mehr CO2 – die Produktion von zehn Kilogramm Rindfleisch oder ein Flug nach Madrid? Wer bei der Stadtführung „Vegan voll Mainz!?“ mitläuft, bekommt nicht nur die Antwort auf diese Frage, sondern auch jede Menge Fakten, Aha-Momente und ziemlich gutes Essen. STUZ war bei der allerersten veganen Food-Tour dabei.

von Caroline Alberta Glabacs

Drei Stunden geht es zu Fuß durch die Mainzer Innenstadt, vorbei an vier ausgewählten Gastronomiebetrieben, die für die Gruppe kleine, aber feine Kostproben servieren. Die vegane kulinarische Stadtführung ist ein Mix aus Stadtrundgang, Infosession und kulinarischem Direkterlebnis. Die Tour wird auf Deutsch und Französisch angeboten, kostet 40 Euro (33 Euro ermäßigt) und ist nach Anmeldung möglich. Getränke bringt man selbst mit oder zahlt man separat – alles andere wird frisch aus der Küche serviert. Zwischen den kulinarischen Stationen gibt es Futter fürs Hirn: Infos, Zahlen und Fakten zu unserem Konsumverhalten. Etwa, dass weltweit nur 17 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen für pflanzliche Nahrung genutzt werden – und ganze 82 Prozent für Tierhaltung. Und, dass etwa 76 Prozent des weltweit angebauten Sojas als Tierfutter verwendet wird.

Mehr als nur Salat
Die Tour will zeigen, dass veganes Essen mehr ist als Salat und Sojamilch. Es geht um Zugänglichkeit, Aufklärung und darum, alle mitzunehmen – egal, ob man schon vegan lebt oder neugierig ist. Unter den Teilnehmenden ist auch Linda. Sie ist frisch aus Bremen zugezogen. „Ich bin selbst nicht vegan, aber ich wollte es ausprobieren“, erzählt sie. Auch mit Vorurteilen zur veganen Lebensweise wird aufgeräumt: Proteinmangel? Mythos. Ungeeignet für Kinder und Schwangere? Unter ärztlicher Koordination kein Problem. Keine Muskeln für vegane Sportler:innen? Ebenfalls Mythos. Die Tourleiter:innen, Jan, Mélissa, Claire und Larissa, listen eine ganze Reihe bekannter Profi-sportler:innen auf, die seit Jahren rein pflanzlich unterwegs sind, und das ziemlich erfolgreich.
Der gemeinnützige Verein Geographie für Alle e.V. veranstaltet gemeinsam mit der veganen Hochschulgruppe der Universität Mainz die Vegan-voll-Mainz!?-Führungen. Die Idee entstand ursprünglich aus einem Projekt des Zukunftsmoduls der Uni Mainz. Das Zukunftsmodul ist ein Bildungsprojekt, das sich mit Klimaschutz, Konsum, Ernährung und globalen Zusammenhängen befasst. Geographie für Alle bringt seit 1994 Stadtführungen und Bildungsformate in Mainz, Wiesbaden und Frankfurt für alle Altersgruppen wortwörtlich auf die Straße.

Ein stacheliger Aha-Moment
Zur Halbzeit hält die Gruppe plötzlich ein seltsames Objekt in der Hand: einen stacheligen, faustgroßen Ring. „Das ist eine Antwort darauf, warum Veganer*innen keine Milch trinken“, erklären die Leiter:innen. Es handelt sich um einen sogenannten „Saugstopper“ oder „Saugentwöhner“. Euphemistische Begriffe für einen Ring mit Gummizapfen und eingegossenen Metallspitzen, der Kälbern angelegt wird, damit sie nicht mehr bei der Mutter trinken können. Die Stacheln verursachen Schmerz, die Kuh wehrt das Jungtier ab, und so wird die Trennung erzwungen. Kurz darauf werden der Gruppe zwei Fotos im Vergleich gezeigt: ein Hund und ein Schweinchen. „Wo liegt der Unterschied?“ Eine Anregung, über Speziesismus nachzudenken, also die unterschiedliche Bewertung und Kategorisierung von Tierarten. Haustier streicheln, Nutztier schlachten, und das oft gegen die eigene Intuition. Mit der Konfrontation soll zu direktem Nachdenken über unser Verhalten angeregt werden.

Und was steht auf dem Speiseplan?
Die aktuellen Partner lesen sich wie ein veganes Best of durch die Mainzer Gastronomie. Cremina in der Kurfürstenstraße serviert vegane und vegetarische Pizza, Süßspeisen und Kaffeegetränke. Bei der Foodtour wird eine Auswahl an veganer Pizza serviert, die jede Ausrede pulverisiert, man könne ohne Käse nicht leben. Der Schrebergarten, ebenfalls beheimatet in der Kurfürstenstraße, ist auch vegan und veggie ausgerichtet. Auf seinem Menü stehen veganes Tikka Masala, Kumpir, Falafel und mehr. Zur Tour werden Bowls aufgetragen, bunt, frisch und köstlich. In der Bahnhofstraße erleben Teilnehmende im Loc panasiatische Küche mit authentischem Ambiente. Mit Gerichten wie Sommerrollen, veganer Ente und frittierten Avocado Tempura etablierte sich das Loc vor fünf Jahren als das erste rein vegane Asia-Restaurant der Stadt. Beim Tourstopp werden hier Sushi und vegane Garnele serviert. Zum Ende findet sich die Gruppe im Nest ein, Café und Afterwork-Bar am Kaiser-Wilhelm-Ring, wo Tortillas und zum Nachtisch Kuchen aufgetischt werden. Alles 100 Prozent pflanzlich und ein ausgezeichneter Abschluss der Foodtour.

Nach drei Stunden, vier Stopps, unzähligen Infos und mindestens genauso vielen neuen Geschmacksrichtungen bleibt vor allem ein Gedanke hängen: Vegane Ernährung ist nicht Verzicht, sondern Entdeckung. Auch Linda ist am Ende der Führung glücklich, die Tour gemacht zu haben: „Ich war überrascht, wie vielfältig das Angebot hier in Mainz ist.“

Und die Antwort auf die Eingangsfrage? Zehn Kilo Rindfleisch verursachen in etwa so viel CO2 wie ein Flug von Frankfurt nach Madrid. Vielleicht also doch lieber mal die vegane Alternative um die Ecke in Betracht ziehen. Wer an der nächsten veganen Foodtour teilnehmen möchte, kann auf der Website von Geographie für Alle nach den nächsten Terminen Ausschau halten. Dort findet sich auch das gesamte aktualisierte Programmangebot des Vereins.

Tags
Vorheriger Artikel