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Gesellschaft

Abgestürzt

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Morgens wachte sie neben ihrem Mitbewohner auf – nackt und verkatert. Von da an ging es mit der WG steil bergab.

von Gesa Züschen

Lili (alle Name von der Redaktion geändert) kann sich noch an alle Details dieses verhängnisvollen Morgens erinnern – obwohl sie „übelst verkatert wie in meinem ganzen Leben noch nicht“ war. Da war der pelzige Geschmack im Mund. Da war der graue Himmel draußen und der Regen. Da war das Brummen der Lautsprecher, die nicht ausgeschaltet worden waren. Und da war ihr Mitbewohner Sören.
Sören lag auf dem Bauch, den Kopf seitlich gedreht, und röchelte schlafend in ihr Kopfkissen. Lili hob vorsichtig die Bettdecke hoch. Er war genauso nackt wie sie selbst. „Mir wurde noch schlechter als mir sowieso schon war“, erinnert sich Lili. Panisch wankte sie durchs Zimmer und fand – zum Glück – neben dem Bett ein gebrauchtes Kondom. Immerhin.

Der Tequila war stärker als ihre Treue
Das letzte, woran Lili sich vor dem Filmriss erinnern kann, ist, dass sie Tequila tranken. Sie, ihre Mitbewohner Sören und Maja, Majas Freund und ein Kumpel von ihm. Das war, als die WG-Party schon vorbei war und Lili eigentlich schon hatte schlafen gehen wollen. Sie hatte sich überreden lassen, obwohl sie schon für ihre Verhältnisse zu viel Wein getrunken hatte.
An jenem Morgen danach duschte Lili und flüchtete zu ihren Eltern – einfach nur, um in Ruhe zu überlegen, wie sie mit der Sache umgehen sollte. Sören war überhaupt nicht ihr Typ. Ein prima Mitbewohner, aber sicher niemand fürs Bett. Zumal Lili einen Freund hatte. Sie war noch nie fremdgegangen. „Ich kann sowas nicht, ich finde es ekelhaft. Wenn man eine Beziehung führt, muss man sich treu sein.“ Doch die Treue hatte Lili mit dem Tequila weggespült. „Ich habe das ganze Wochenende bei meinen Eltern geheult. Ich war so fertig.“
Sören ging es nicht besser. Er ging Lili von nun an genauso aus dem Weg wie sie ihm. Ihren betrunkenen One-Night-Stand sprachen sie beide nicht an. Wenn es in der WG etwas zu besprechen gab, verhielten sie sich schüchtern und still. Maja, die von nichts wusste, bekam mehr und mehr den Eindruck, ihre Mitbewohner interessierten sich nicht mehr für den WG-Alltag. Die Stimmung verschlechterte sich zusehends.
Vor allem litt Lili, weil sie es nicht fertigbrachte, den „Unfall“ ihrem Freund zu beichten. „Mir war schon klar, dass ich es ihm sagen musste. Aber ich wusste nicht, wie. Ich habe mir wochenlang den Kopf darüber zerbrochen.“ Natürlich merkte ihr Freund, dass etwas nicht stimmt. Mehrmals sprach er Lili darauf an, doch Lili antwortete immer nur: „Nein, es ist nichts.“ Was wenig glaubwürdig rüberkam.

Die WG-Castings waren quälend
Immer häufiger flüchtete Lili zu ihren Eltern. Die einst so harmonische WG zerbrach. Maja, die noch immer keine Erklärung für die Passivität ihrer Mitbewohner hatte, zog aus. Sie fasste diese Passivität falsch auf und glaubte, Sören und Lili hätten etwas gegen sie und wollten es ihr nicht sagen. Es folgten quälende WG-Castings, bei denen Lili und Sören als wortkarge Bewohner auftraten, die sich gegenseitig nicht in die Augen sahen. „Die meisten, die zu den Castings kamen, spürten sofort, dass etwas bei uns nicht stimmte. Diese Bewerber sagten von sich aus ab. Am Ende war es ein arbeitsloser Koch, der Majas Zimmer übernahm, und der weder aufräumte noch putzte. Schnell wurde es ekelhaft. „Aber wir konnten nicht geschlossen auftreten, um ihn zurechtzuweisen, weil ja noch immer dieser furchtbare One-Night-Stand zwischen uns stand“, erinnert sich Lili. Zu dieser Zeit war ihr Freund ihr Fels in der Brandung. „Ohne ihn hätte mich das kaputtgemacht.“ Er half sogar, das verdreckte Geschirr des neuen Mitbewohners zu spülen, das versiffte Bad zu putzen. Gerade da wurde Lili bewusst, wie schuldig sie ihm die längst überfällige Beichte war.
Als sie es ihm unter Tränen gestand, nahm er sie in den Arm und tröstete sie. Entgegen ihrer Erwartung verzieh er ihr sofort und fand es gut, dass sie, obwohl sie so besoffen gewesen waren, ein Kondom benutzt hatten.
Schließlich zog auch Sören aus. Er teilte es Lili in einer Mail mit und räumte sein Zimmer, als sie nicht da war. Kein Wort von ihm zu jener Nacht. Bis heute weiß Lili nicht, wie zurechnungsfähig er gewesen war, und ob er sich genauso wenig wie sie an ihren Sex erinnern kann. Lili zog die Konsequenz und löste die WG auf. Der Koch verschwand einfach und hinterließ Dreck und Chaos. Beim Renovieren half – wieder einmal – Lilis Freund. „Ich bin so dankbar, dass ich ihn habe“, sagt Lili. Obwohl sie ihm Hörner aufgesetzt hatte, hatte er zu ihr gehalten. Heute wohnen sie zusammen. Getrunken hat Lili seit der Tequila-Nacht nichts mehr.

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