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Kultur

Eule, Keks und Forscherspiele

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Kultur für Kinder ist beileibe kein Statustool für Eislaufmamis. Es ist ein weites Feld, das unendlichen Spaß für Kleinste, Kleine und Jugendliche bietet – von klassischer Musik bis zu Skatekursen, von Theaterworkshops bis Malerei. Wir haben euch einen Überblick verschafft.

von Ingo Bartsch und Sarah Marzouk

Am besten gefällt mir, dass ich ein Zauberhase sein darf“, sagt Leonie, sechs Jahre alt. Sie rückt ihre goldenen Zauberohren zurecht und zeigt nochmal ihre Hasenzähne, ehe sie ergänzt: „Und dass es keinen Streit gab, wer welche Rolle spielt.“ Dann hoppelt sie auf Position. Es ist Tag zwei von Kids on Stage, einem Theaterworkshop in den Hallen des Hessischen Staatstheaters in Wiesbaden. Der große Tag der Aufführung vor der Familie. Gemeinsam mit dem Team der Theaterpädagogik haben die teilnehmenden Grundschulkinder binnen zwei Tagen ihr selbsterdachtes Stück „Leila und die magische Welt“ inszeniert.

„Zum großen Teil müssen wir nicht die Kinder, sondern die Eltern und Pädagogen überzeugen ins Theater zu kommen“
– Sophie Pompe, Hessisches Staatstheater Wiesbaden

Manche kommen regelmäßig zu dem Theaterworkshop, der zweimal pro Spielzeit stattfindet und sind bereits richtige kleine Bühnenprofis, andere machen erstmal große Augen und kommen nur langsam aus sich heraus. Die größte Herausforderung, so sagen Anne Tysiak und Luisa Schumacher vom Team der Theaterpädagogik, sei es dabei, der Konzentrationsspanne der unterschiedlichen Kinder gerecht zu werden. „Und die Gruppendynamik zu erhalten, während gleichzeitig jeder einzelne sprudeln darf.“ Mit viel Einfühungsvermögen und Kreativität schaffen sie es so ein Stück zu kreieren, in dem jedes Kind sich wiederfindet, und in den Kindern die Freude am Spielen und (Kultur-) Gestalten zu födern.

Zeichnen im Museum Wiesbaden

Humanistisch, aufklärerisch, emanzipatorisch
Der Workshop ist ein Beispiel dafür, dass in Sachen Kultur für Kinder weitaus mehr geboten wird als „nur“ Frontalbespaßung in Form der klassischen Zuschauer-vor-der-Bühne-Situation. Und das gilt nicht nur für die großen Theater in Mainz und Wiesbaden, wobei diese naturgemäß die zahlenmäßig meisten Angebote für Kinder, Jugendliche und Familien bieten. „Sie werden kein Wochenende entdecken, in dem nicht irgendein Stück für die ganze Familie und/oder den pubertierenden Spross läuft“, sagt Sophie Pompe, künstlerische Leiterin des Jungen Staatstheaters (JUST) Wiesbaden. Ähnlich das Staatstheater in Mainz. Das Angebot für den Nachwuchs erstreckt sich über die Sparten Schauspiel, Musiktheater, Tanz und Konzert, hinzu kommen etwa noch Führungen hinter den Kulissen. Es gibt ein gesondertes Programmheft und einen eigenen Newsletter nur für das justmainz. Bereits in den Proben ist die Zielgruppe anwesend, um direkt Feedback zu bekommen. Schließlich soll das Programm interaktiv und inklusiv sein.

„Alle sollen sich willkommen fühlen“, so Katrin Maiwald, zuständig für die Dramaturgie der justmainz-Inszenierungen. In Wiesbaden richtet sich der Blick indessen auf die Begleiter: „Wir versuchen, eine Balance aus neuen Stoffen und Klassikern der Kinder- und Jugendliteratur zu finden. Schließlich müssen wir zum großen Teil nicht die Kinder, sondern die Eltern und Pädagogen überzeugen ins Theater zu kommen“, erklärt Pompe. Inhaltlich geht es darum, „Denkanstöße zu liefern, neue ästhetische Formen erlebbar zu machen, Zugänge für spröde Stoffe zu schaffen und dann auch immer wieder, ich kann es nicht leugnen, unsere humanistische Weltsicht zu verhandeln.“

Klar, dass die millionenschweren großen Häuser Theater für die ganze Familie liefern. Doch kleinere Theater stehen dem in nichts nach. Bestes Beispiel: die Mainzer Kammerspiele. Im Erdgeschoss der ansonsten recht desolaten Malakoffpassage befindet sich ein wahrer Hotspot darstellerischer Kunst für Kinder. Neben den stark nachgefragten Weihnachtsstücken (fünfzig Aufführungen in November und Dezember!) ist vor allem das jährliche Kindertheaterfestival ein regelrechtes Wahrzeichen der Kammerspiele – seit 27 Jahren. Claudia Wehner, verantwortlich für das Kindertheaterprogramm, betont: „Wir fühlen uns einem aufklärerischen, emanzipatorischen und kindgerechten Theater verpflichtet. Theater für Kinder soll Spaß machen, zu neuen Gedanken anregen und zeigen wie bunt die Welt ist.“ Was auch maßgeblich bei der Auswahl der externen Theatergruppen ist.

„Wenn die großen Kinderaugen nur noch den Puppen folgen, ist das der schönste Moment für mich, weil sie dann in eine andere Welt eintauchen.“
– Joe Trautmann, KUZ, Mainz

Hexenzauber in der Kreativfabrik, Wiesbaden

Ganz ähnlich das benachbarte KUZ. Das Kulturzentrum verfügt freilich über kein Ensemble, und so werden auch hier externe Formationen eingeladen. Joe Trautmann, der seit nunmehr 25 Jahren (abzüglich Renovierungsunterbrechung) für „Kids im KUZ“ zuständig ist und der auf Puppentheater schwört, ist es wichtig, Themen zu behandeln, die Kinder umtreiben: Freundschaft und Ängste spielen eine große Rolle. „Wenn die großen Kinderaugen nur noch den Puppen folgen, ist das der schönste Moment für mich, weil sie dann in eine andere Welt eintauchen“, schwärmt Joe. Hinzu kommt im „neuen“ KUZ die Junge Bühne Mainz, die aktuell mit dem Klassiker „Das Dschungelbuch“ ebenfalls die junge Zielgruppe ins Visier nimmt.

Das kuenstlerhaus43 in Wiesbaden wiederum inszeniert selbst. Die Stücke werden mit eigenen Schauspielern geprobt, auf den Spielort und die Stadt zugeschnitten, und die Zuschauer übernehmen immer einen gewissen Part. Dieses Jahr etwa werden sie bei den Sommerfestspielen auf der Burg Sonnenberg einen Teil der Schulklasse von Tom Sawyer spielen. „Alle unsere Kinderstücke sind ebenfalls für Erwachsene geeignet. An manchen Stellen lachen die großen und an anderen die kleinen Menschen“, sagt Theatermacher Wolfgang Vielsack, der als pädagogisches Konzept hinter den Stücken „die großen Weggabelungen und Werte im Leben eines Menschen“ sieht, wie Pubertät (Ronja Räubertochter) oder Freundschaft und Mut (Tom Sawyer).

„An manchen Stellen lachen die großen und an anderen die kleinen Menschen“
– Wolfgang Vielsack, kuenstlerhaus43, Wiesbaden

Wahrnehmen und Handeln als Schlüssel

Weitere Spielstätten mit Bühnenprogrammfür Kinder sind das unterhaus in Mainz, die Galli Theater in Mainz und Wiesbaden, die Reduit in Mainz-

Lichtmalerei in der Mainzer Kunsthalle

Kastel sowie das Theater Rüsselsheim. Über Theater hinaus geht die Villa Musica in Mainz, die auch klassische Musik für Kinder im Programm hat. Und noch einen Schritt weiter geht die Wiesbadener Kreativfabrik. Neben dem einmal im Monat hier gastierenden Figurentheater Kania sind Bastel- und Graffitiworkshops oder Skatekurse zu haben. Damit bietet die Krea eine einzigartige Mischung aus Theater, Sport und Bildender Kunst.

Stichwort Bildende Kunst: Auch diesbezüglich hat es im STUZ-Gebiet eine Fülle an Möglichkeiten, Kleine und Kleinste kulturell zu unterhalten. Reine Kunsthäuser wie die Mainzer Kunsthalle und der Nassauische Kunstverein (NKV) in Wiesbaden locken mit Workshops, die an laufende Ausstellungen anknüpfend die jungen Besucherinnen und Besucher selbst Kunst gestalten lassen – beim NKV sogar gänzlich kostenfrei. Freilich gibt es auch die „Nur gucken“-Varianten. Für den einfachen Ausstellungsbesuch haben die Opelvillen in Rüsselsheim einen kostenlosen Ausstellungsbegleiter namens KEKS entwickelt („Kinder Entdecken Kunst Spielerisch“). Das Heft ermöglicht einen spielerischen Einstieg in die Ausstellungen und regt zum gemeinsamen Nachforschen, Entdecken und Rätseln an. Wer also glaubt, es ginge hier „nur“ um Visuelles – Irrtum. Die Opelvillen schreiben sich gar die Sprachförderung von Kindergartenkindern auf die Fahnen und die Mainzer Kunsthalle bietet „Forscherspiele“.

Opelwillen, Rüsselsheim: Fotoworkshop

Der Forscherdrang wird angeregt
Die Schnittstelle zwischen Kunst und Wissenschaft, wie sie hier bereits angedeutet wird, kennzeichnet die beiden großen Museen in Mainz und Wiesbaden durch und durch. „Für uns ist eine direkte Begegnung mit den Exponaten im Erfahrungsraum Museum von großer Bedeutung“, erklärt Kuratorin Astrid Lembcke-Thiel vom Museum Wiesbaden. „Zeichnen und damit genaues, auch entschleunigtes Betrachten – sei es von Präparaten der Naturhistorischen Sammlungen, von Kunstinstallationen im Raum oder Altmeisterlichen Gemälden – immer ist das eigene Wahrnehmen und aktive Handeln der Schlüssel zu einer bereichernden Auseinandersetzung mit den Objekten, sich selbst und der Welt.“ Ähnlich das Landesmuseum Mainz, wo drei festangestellte Mitarbeiterinnen für das Kinder- und Familienprogramm zuständig sind. Ausgehend von der kindlichen Erfahrungswelt – Spiel, Familienleben, Forscherdrang – sollen hier Verbindungen zu den Exponaten entwickelt werden: Was ist zu sehen? Wie kam der Gegenstand oder das Bild wohl ins Museum? Was ist daran bemerkenswert? Kennst du etwas Ähnliches in deinem Umfeld? Können wir so etwas auch herstellen? So wird an das ästhetische Empfinden und die Neugierde der Kinder gleichermaßen appelliert. Ähnlich das Naturhistorische Museum in Mainz. Neben ausgestopften (und manchmal auch lebenden) Tieren gibt es ein umfangreiches Programm von Kindergeburtstagen über Vorlesestunden bis hin zu Wissenschaftstagen und Führungen für Kinder und Großeltern – das alles allerdings erst wieder ab Ende September, da derzeit umgebaut wird.

Schlachthof Wiesbaden: Eule findet den Beat

Pop, Jazz, Rock, Klassik, Punk, Rap, Techno – „Eule findet den Beat“ nahm Ende Februar Kinder und Eltern im Schlachthof Wiesbaden mit auf eine Reise durch die Musikgenres. Brillant – aber auch hochpreisig. Mama (25 Euro), Papa (25 Euro) Kind (15 Euro), noch ein Kind (15 Euro), die CD zur Show (15 Euro), macht 95 Euro. Ein Beispiel dafür, dass Kultur für Kinder nicht immer auch Kultur für alle Kinder ist. Produktionen wie „Eule findet den Beat“ und das komplett kostenfreie Angebot des NKV markieren damit die preislichen Pole. Wohlgemerkt sind nicht alle Kinderangebote im Schlachthof auf diesem Preisniveau. Vahle etwa kostet nur fünf Euro Eintritt. Im Schlachthof wird vor allem darauf geachtet, dass „die Themen zu unserem Haus passen und qualitativ hochwertig sind“ – was, unabhängig vom Eintrittspreis, absolut zutreffend ist.

Bleibt also festzuhalten, dass es auch für die finanziell Schwachen einige Möglichkeiten gibt, ihren Kindern den Zugang zu Kultur zu ermöglichen – wobei jedes weitere kostenlose oder preisgünstige Angebot mehr ein Gewinn ist. Die Bandbreite der Angebote reicht von Entertainment bis zu Erkundung, die Übergänge sind fließend und oft findet sich eine Kombination aus beidem. Und meistens haben auch die Eltern was davon. Sei es, dass sie bei „Eule findet den Beat“ in Erinnerung an die Lieblingsmusik ihrer Jugend schwelgen oder aber voller Stolz applaudieren, nachdem die Kinder im Theaterworkshop ihr selbsterdachtes Stück aufgeführt haben – mit Leonie als Zauberhäsin und ganz ohne Streit.

Peter und der Wolf in den Kammerspielen Mainz

 

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