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Wiesbaden

Wiesbaden will raus aus dem Kurschatten

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Seit Januar hat nun auch Wiesbaden den Nachtbürgermeister, eigentlich sogar zwei, denn Pascal Rück und Daniel Redin teilen sich dieses neugeschaffene Ehrenamt. Was denken und wollen die beiden? STUZ hat nachgefragt.

Interview: Michel Süss

STUZ: Pascal, Daniel, was hat Euch bewogen einen Job für 70 Euro Monatsgehalt anzunehmen?

Schon bei den ersten Hinweisen von Freunden auf die von der Stadt ausgeschriebenen Stelle war uns sofort klar, dass wir uns das Engagement für ein solches Ehrenamt nicht wegen der üppigen Bezahlung vorstellen können. So wuchs bei uns auch schnell die Idee, sich für das Amt proaktiv als Duo zu bewerben.

Wir finden erstmal wichtig, dass die lang diskutierte und vom Jugendparlament initiierte Stelle nun endlich auch einmal in die Praxis gegangen ist. Dabei verstehen wir beide uns für die befristeten zwei Jahre als Richtungsgeber. Klar wäre es natürlich eine tolle Initiative, wenn nach diesen beiden Jahren die Stelle in anderer Form eine Weiterführung erfährt. Wir sind jedenfalls froh, dass wir das Amt nun ausführen dürfen und freuen uns über das umfassend positive Feedback.

Wiesbaden gilt als eine langweilige Stadt. Warum ist dieser Titel nicht richtig?

Wir haben schon immer gesagt, dass Wiesbaden nicht so schlecht ist, wie der Ruf im Nacht- und Kulturleben scheint. Es gibt schon eine Vielzahl von Angeboten, welche es verdient haben, wahrgenommen zu werden. Ebenso gibt es in der Landeshauptstadt eine bunte, kreative Szene, welche miteinander vernetzt ist. Wichtig ist natürlich, dass die bestehenden Angebote und Möglichkeiten auch genutzt werden. So sind wir der Meinung, dass die Vielzahl an Veranstaltungen in der Stadt unterstützt werden sollten. Nichtsdestotrotz sind Themen wie zum Beispiel die Freiflächennutzung für Gastronomie und Kultur verbesserungswürdig.

Woran – glaubt Ihr – hängt es am meisten in der Stadt, um das Schlafmützen-Image loszuwerden?

Wir glauben, der Kern sind die Bürger:innen selbst. So sehen wir uns als Vermittler zwischen den Kulturschaffenden, der Stadt und den besagten Bürger:innen. Wiesbaden sollte sich nicht nur nach außen über sein touristisch hoch angesehenes Image definieren, sondern vor allem von den eigenen Bewohnern positiv wahrgenommen und gelebt werden. Wiesbaden ist so gar nicht schlafmützig, sondern hat jede Menge Potenzial im eigenen Kreis.

So haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, generationsübergreifend die Bürger:innen der Landeshauptstadt mit ins Boot zu holen. Dabei sind schon einige vielversprechende Gespräche zu Stande gekommen – vom Jugendparlament über Kulturgremien bis hin zum Seniorenbeirat.

Kultur und Gastro bietet die Stadt doch, warum werden die Anbieter nicht stärker hervorgehoben und beworben?

Unserer Ansicht nach kann sich noch mehr vernetzt werden. Gemeinsam sind wir stark – so abgedroschen dieser Satz klingt, so wahr ist er. Beste Beispiele bietet das Stadtleben mit dem „Kiezgarten“ am Sedanplatz oder dem „Chateau Nero“ auf dem Neroberg. Wir beobachten, dass sich Gastronomie und Kultur durchaus kennen und schätzen. Dennoch: Da geht mehr. Wir möchten Menschen an einen Tisch bringen, welche sich in dieser Konstellation vielleicht noch nicht miteinander unterhalten haben. Gerade neue Angebote und Möglichkeiten lassen sich nur schaffen, wenn man neue Wege denkt.

Was könnte Wiesbaden von Mainz lernen?

Auch wenn es in der Natur der Sache liegt, dass die „Ebsch Seit“ beiderseits Basis von Scherzen ist, empfinden wir die geographische Besonderheit zweier Bundesländer und Landeshauptstädte doch als große Chance. Dabei geht es gar nicht darum, als Einbahnstraße etwas voneinander zu lernen, sondern im gemeinsamen Austausch Kultur und Gastronomie zu fördern.

Wichtig ist uns dabei auch, sich nicht auf die beiden Städte zu begrenzen. Wir erfahren beide in unseren Berufen viele Einflüsse in den Bereichen Kultur und Events und versuchen diese bestmöglich mit in das Ehrenamt und die Stadt zu tragen. So gibt es in der Praxis sogar ein Zusammenschluss von den bisher tätigen Nachtbürgermeister:innen in ganz Deutschland, bei dessen Konferenzen sich regelmäßig ausgetauscht wird.

Welche Ideen zur Kommunikation habt ihr, welche Wege wollt ihr gehen?

Wichtig ist uns, für alle Bürger:innen erreichbar zu sein. Jede Anfrage, jeden Kommentar nehmen wir ernst. So sind wir aktuell unter nachtbuergermeister@wiesbaden.de für Anliegen zu erreichen. Überrascht sind wir tatsächlich von der medialen Präsenz unseres Amtes als Nachtbürgermeister Duo – vielleicht ein Fingerzeig, dass in diesem Bereich durchaus Bedarf besteht, etwas zu bewegen.

Habt ihr schon Projekte im Kopf und wenn ihr nicht zu viel verraten wollt, könntet ihr etwas andeuten?

Nach unserem Start am 1. Januar sind wir aktuell noch in der Findungsphase und dem Ermitteln eines Status Quo mit allen Parteien der verschiedenen Bereiche. Sobald wie möglich möchten wir einen „Runden Tisch“ für die Gastronomie und Kulturschaffenden ins Leben rufen. Dort können wir uns auch vorstellen, Gäste wie Ämter oder Behörden mit zu integrieren. Wir finden es nämlich enorm wichtig, um etwas in der Landeshauptstadt möglich zu machen, miteinander zu reden und nicht übereinander.

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