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Kultur

Lesen nach dem Corona-Boom

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Der 23. April markiert den UNESCO-Welttag des Buches. Der perfekte Anlass dafür, auch im Hinblick auf die Coronazeit, sich mit dem Leseverhalten der Menschen in Deutschland zu beschäftigen. Überraschenderweise mit positiver Bilanz für den Literaturvertrieb.

von Caroline Alberta Glabacs

Insbesondere im Hinblick auf die überstandene Pandemie, werfen sich bezüglich des Freizeitverhaltens der Menschen zahlreiche Fragen auf. Welche Auswirkungen hatte Corona auf die Leserschaft? Wie hat sich das Hobby „Lesen“ in der Zeit entwickelt? Unerwartet, aber umso spürbarer traf uns die Coronakrise. Plötzlich gab ein Virus den Ton für alle Lebensbereiche an. Die gesamte Kulturbranche stand vor einer nie dagewesenen Herausforderung. So auch der Buchhandel. Die großen, stationären Buchgeschäfte mussten Umsatzeinbrüche verzeichnen. Verständlicherweise, denn das spontane Stöbern in dem Ambiente des Buchladens fiel weg. Man konnte nicht mehr zwischen den Bücherregalen schlendern und großartige Zufallsfunde machen. Persönliche Beratungsgespräche mit Mitarbeiter:innen sowie der Austausch unter Kund:innen konnte nicht mehr stattfinden.

Erstaunlicherweise waren es ausgerechnet die kleinen Buchhandlungen, die die Pandemie für sich nutzen konnten, indem sie ihren Kurs an die Situation erfolgreich anpassten. Dies bestätigt sich auch im Gespräch mit der Inhaberin des Buchladens „Erlesenes & Büchergilde“ in Mainz, Silke Müller: „In gewisser Weise stieß die Pandemie eine Welle der Wiederentdeckung bei Leser:innen an. Dadurch, dass die Menschen jetzt viel mehr Zeit hatten und die Optionen auf heiminterne Aktivitäten beschränkt waren, lag der Griff zum Buch sehr nahe.“ Zunächst verbrachten einige Menschen ihre Zeit damit, Serien und Filme in Endlosschleife zu schauen. Man hielt sich öfter und länger in den sozialen Medien auf. Doch auch das, manch einer glaubt es kaum, wird irgendwann mühsam und eintönig. „Viele Kund:innen entdeckten in dieser Zeit ihre Leidenschaft für das Lesen wieder. Dies galt insbesondere für Kulturinteressierte, da alle anderen Kulturangebote in Präsenz gänzlich wegfielen“, erklärt Müller. Der Gang ins Kino, Theater oder ins Museum, Ausstellungen, Konzerte, Messen, Feierlichkeiten und Zusammenkünfte, sowie das Reisen wurden für unabsehbare Zeit auf Stand-by-Modus gestellt. Die Bevölkerung musste den Alltag individuell umstrukturieren. Ein Vorteil, der sich für einige aus der Pandemiezeit ergeben hat, war das Arbeiten von zu Hause aus. Durch die unmittelbare Nähe des Arbeitsplatzes und wegfallende Arbeitswege, ergab sich für viele mehr Familienzeit. Was sich auch klar in der Nachfrage des Buchladens widerspiegelte. „Vorlesen wurde in vielen Familien mit Kleinkindern präsenter. Auch das Puzzeln erhielt während der Pandemie einen beachtlichen Aufschwung auf der Beliebtheitsskala. Kinderliteratur und -spiele hatten auf einmal erhöhten Zulauf“, bestätigt die Buchhändlerin. Dies bestätigt auch die JIM-Studie von 2022, die sich seit dem Jahr 1998 mit dem Medienverhalten von Jugendlichen in Deutschland auseinandersetzt. Gerade zu Beginn der Coronapandemie konnte ein deutlicher Anstieg der Lesezeit in der Gruppe der Zwölf- bis 19-Jährigen verzeichnet werden. Auch innerhalb der Altersgruppe 20 bis 29 erzielte die Leserschaft Zugewinne an jungen Erwachsenen.

Interessant ist auch die Themenwahl der Leser:innen in der Hochzeit der Pandemie, wie Müller ausführt: „Jeder ging für sich anders mit der neuen, belastenden Situation um. Eine Gruppe von Menschen entschied sich bewusst für Literatur, die sich mit Katastrophen, Pandemien und Endzeitszenarien auseinandersetzt. Das Buch ‚Die Pest‘ von Albert Camus machte Rekordabsätze. Auf der anderen Seite gab es die, die versuchten, von der Situation rundum Corona abzulenken und griffen zu Unterhaltungs- oder Spannungsliteratur. Ein Teil unserer Kund:innen widmete die Zeit klassischen Werken oder arbeitete ihre Liste an Büchern ab, die sie schon immer mal lesen wollten.“

Etwa eine Million neue Nutzer haben während der Pandemie zum ersten Mal Gebrauch von den alternativen Angeboten des stationären Buchhandels gemacht. Hierzu zählen die telefonische- oder Online-Bestellung von Büchern zur Abholung oder direkt nach Hause. Auch hier waren lokale Händler:innen gezwungen mitzuhalten. Neben dem Ausbau eines kontaktlosen Bestell- und Abholnetzwerkes, mussten kreative Lösungen her. Das bekräftigt auch Silke Müller: „Um weiterhin in regem Kontakt zu unseren Kundinn:en zu bleiben und sie auf dem Laufenden zu halten, haben wir unseren regelmäßigen Newsletter-Verkehr intensiviert. Darüber hinaus nutzten wir Instagram als Plattform, um über unsere Angebote zu informieren.“

Mittlerweile steht uns der Einzelhandel zum Glück wieder offen. Die Zeit fürs Lesen dürfte daher wieder abgenommen haben. Einer der wenigen Gründe, sich die Coronazeiten zurückzuwünschen.

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