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Tiere

Finger weg vom Aal

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Was kreucht und fleucht im STUZ-Gebiet? Wilde Tiere vor der Haustür, Teil 31: Der Aal

von Konstantin Mahlow

Entlang des Mittelrheintals kann man im Sommer hier und da noch Gaststätten finden, die mit einer besonderen Spezialität werben: Räucheraal frisch aus dem Rhein. Was viele als höchstens gewöhnungsbedürftig empfinden, ist deutschlandweit immer noch erstaunlich beliebt. Und auch am Rhein zwischen Mainz und Wiesbaden stehen in den warmen Monaten die Angler nachts auf den Böschungen und versuchen, die schlangenähnlichen Raubfische mit Tauwürmern an den Haken und später in die Tonne zu locken. Dabei gibt es vermutlich mehr Gründe, die Finger und Gabeln vom Aal zu lassen, als es genießbare Gerichte aus ihrem fettigen Fleisch gibt.

Durch aale Welt
Der Europäische Aal (Anguilla anguilla), einst ein Massenfisch in Strömen wie den Rhein, ist heute vom Aussterben bedroht. Greenpeace schätzt den Rückgang der Population in den letzten 30 Jahren auf 98 Prozent. Die Angler in Mainz oder die Räucheraal verzehrenden Touristen im Mittelrheintal sind weitestgehend unschuldig an dieser Entwicklung. Viel mehr hat es mit dem außer- wie ungewöhnlichen Lebenszyklus der Tiere zu tun, der sie von Bacharach bis nahe an die Bahamas bringt. Aale sind Wanderfische, die, in entgegengesetzter Richtung der Lachse, von ihren Heimatgewässern im europäischen Binnenland in den Atlantik ziehen, um dort zu laichen – genauer in der knapp 6000 Kilometern entfernten Sargassosee. Die Wanderung dauert eineinhalb Jahre und fordert von den Tieren so viel Kraft, dass sie nach Ablegen des Roggen sterben. Aale, die in Tümpeln oder Becken ohne Abfluss gefangen sind und so nicht ins Meer gelangen, können dagegen bis zu hundert Jahre alt werden. Um solch ein asexuelles Leben in halber Ewigkeit zu vermeiden, kriechen die glitschigen Fische bei entsprechender Luftfeuchtigkeit und mithilfe von Hautatmung bis zu sieben Tage über Land, um in den nächsten Fluss zu kommen.

Die Larven brauchen wiederum drei Jahre, um zurück nach Europa zu schwimmen. Etwa 100 Kilometer vor der Küste beginnt die Metamorphose zu den sogenannten Glasaalen – und damit auch das große Problem, dass die Art am Rande ihrer Auslöschung bringt. Die sieben Zentimeter langen, durchsichtigen Glasaale gelten als Delikatesse und werden respektive wurden im großen Stil etwa an der französischen Atlantikküste abgefischt. Dort werden sie entweder direkt verspeist oder nach Asien verschifft, wo sie weiter gemästet werden. Die EU hat mittlerweile darauf reagiert und ab diesem Jahr den Fang von Aalen im Meer, an der Küste und einmündenden Brackwasser komplett verboten – ein beispielloser Vorgang. Mit der Folge, dass seitdem der illegale Handel in Richtung Fernost boomt. Die Aal-Mafia, auch so etwas gibt es in der globalisierten Welt. Als Gegenmaßnahme werden massiv Jungfische in den Flüssen ausgesetzt.

Die Larven brauchen wiederum drei Jahre, um zurück nach Europa zu schwimmen. Etwa 100 Kilometer vor der Küste beginnt die Metamorphose zu den sogenannten Glasaalen – und damit auch das große Problem, dass die Art am Rande ihrer Auslöschung bringt. Die sieben Zentimeter langen, durchsichtigen Glasaale gelten als Delikatesse und werden respektive wurden im großen Stil etwa an der französischen Atlantikküste abgefischt. Dort werden sie entweder direkt verspeist oder nach Asien verschifft, wo sie weiter gemästet werden. Die EU hat mittlerweile darauf reagiert und ab diesem Jahr den Fang von Aalen im Meer, an der Küste und einmündenden Brackwasser komplett verboten – ein beispielloser Vorgang. Mit der Folge, dass seitdem der illegale Handel in Richtung Fernost boomt. Die Aal-Mafia, auch so etwas gibt es in der globalisierten Welt. Als Gegenmaßnahme werden massiv Jungfische in den Flüssen ausgesetzt.

Leichen oder Laichen
Die Glasaale, die es im Frühjahr in einem nächsten Entwicklungsschritt als Gelbaale in die Flüsse schaffen, sind derweil noch längst nicht aus dem Schneider. Besonders das Niedrigwasser in den Hitzesommern bedroht die Fische, wenn verstärkt die Rückzugbereiche fehlen und sie zwischen die Schiffsschrauben geraten. Die Überlebenden fressen sich in ihrer neuen Heimat voll, bis sie endlich wieder geschlechtsreif werden – bei den deutlich größeren Weibchen dauert das stolze 12 bis 15 Jahre. Je nach Nahrungsaufnahme gibt es zwei verschiedene Typen: den vor allem Krebse jagende Spitzkopf- Aal und den auf kleine Fische spezialisierte Breitkopfaal. Nach dieser langen Zeit im Süßwasser entwickeln sich die gelbbäuchigen Tiere kurz vor dem großen Aufbruch in den Atlantik zu sogenannten Silber- oder Blankaalen in Anspielung auf ihre neue Färbung. Das Jagen wird eingestellt, der Verdauungstrakt entwickelt sich komplett zurück und weicht den Geschlechtsorganen, die den Leib der Aale gänzlich einnehmen werden. Ab jetzt ist das Laichen das einzige und letzte Ziel in ihrem Leben.

Die Energie für diesen höchst ungewöhnlichen Prozess ziehen die Aale aus ihrer Fettschicht, die sie ein Leben lang aufgebaut haben und die rund 30 Prozent des Körpers einnimmt – zum paradoxen Leiden aller Fans von Räucheraalen. In diesem Fett sammeln sich nämlich all die Ablagerungen, die man auf keinen Fall auf seinem Teller haben möchte – insbesondere Schadstoffe wie PCB und Dioxine. Oft heißt es deshalb auf die Frage, ob man Fische aus dem Rhein überhaupt essen kann: Ja – bis auf Aale. Nicht nur für die Gesundheit, sondern auch zum Schutz der selten gewordenen Tiere keine schlechte Idee.

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