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Wiesbaden

Ein Mann mit vielen Talenten

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Rainer M. Thurau aus Wiesbaden ist Harfenbauer und Künstler mit Leib und Seele. Seine Instrumente sind bei Musikern auf der ganzen Welt gefragt.

von Inken Paletta

Egal ob Architektur, Design, Malerei, Kunstgeschichte oder Musik. Bereits als Kind war Rainer Thurau, der 1951 in Hamburg das Licht der Welt erblickte und in Süddeutschland aufwuchs kreativ und vielseitig interessiert. „Meine Eltern waren darstellende Künstler. Das kreative Potenzial ist mir in die Wiege gelegt“, so der Wiesbadener Harfenbauer und freie Künstler. Mit 17 Jahren zog es ihn nach West-Berlin für eine Ausbildung an der Carl-Bamberg-Oberschule für Fotografie. Parallel arbeitete Thurau ein Jahr bei der Mosaik Film GmbH, wo er Schauspiellegenden wie Heinz Rühmann, Gert Fröbe und Jürgen Prochnow kennenlernte. Zu der Zeit begann er auch, sich intensiv mit der Malerei zu beschäftigen. Außerdem gründete er das Folk-Musikensemble „Fianna“. „Doch mir wurde auch klar: Nur von der Musik und Kunst allein kann ich nicht leben.“ Und so entschied er sich für eine Ausbildung als Groß- und Einzelhandelskaufmann. 1974 begann er ein Medizinstudium, bei dem er im Fach Anatomie für seine Malerei die Proportionen des menschlichen Körpers und der Muskeln studierte.

Vom Autodidakten zum Harfenbauer mit Weltruf
„Doch das Medizinstudium war für einen kreativen Geist wie mich nicht das Richtige. Ich träumte von einem Stipendium für die Berliner Akademie der Künste“, so Thurau. Für sein Folk- Ensemble baute er schließlich selbst eine Harfe. Immerhin hatte er aus Holz vom Sperrmüll für seine Studentenbude schon selbst Möbel gezimmert. Auch die Harfe zu spielen, brachte er sich selbst bei. Indem er sich immer mehr mit dem Instrumentenbau auseinandersetzte und weitere Harfen baute, wurde er mit der Zeit zum Pionier für den Bau moderner und historischer Harfen in Deutschland. 1983 siedelte er mit seiner Werkstatt nach Ulm um. Ein paar Jahre später erhielt er das Angebot, die renommierte Wiesbadener Konzertharfenbauwerkstatt „Löffler & Sohn“ zu übernehmen. „Doch ohne Ausbildung konnte ich meine Fähigkeit Konzertharfen zu bauen gegenüber den klassischen Harfenisten nicht nachweisen und die Konkurrenz schlief nicht“, so Thurau. Doch es war damals möglich, eine Begabtenprüfung abzulegen. Thurau ist bis heute der Einzige weltweit, der diese Prüfung als Autodidakt abgelegt und bestanden hat. „Meine erste Konzertharfe ging direkt an die Wiener Symphoniker“, erzählt er. Heute fertigt Thurau in seiner Werkstatt in Wiesbaden zusammen mit Feinmechaniker Martin Steinhauser Auftragsarbeiten für Musiker, historische Ensemble, große Orchester und renommierte Konzerthäuser auf der ganzen Welt an. „Ein Instrument ging schon an die königliche Oper in Covent Garden in London oder an die Mailänder Skala“, so Thurau, der auch historische Harfen für Museen rekonstruiert. „Meine Spezialität sind seit 1984 Barockharfen, die ich oft nur anhand von alten Bildern oder Gemälden rekonstruieren muss, da es nur wenige erhaltenen Originale gibt.“ Dazu ist im Vorfeld eine historische Recherche über das Instrument sowie die Zusammenarbeit mit historisch musizierenden Künstlern notwendig. Die Rekonstruktion muss den jeweiligen Zeitgeist treffen. „Nur so weiß ich, auf was ich beim Klang und bei der Gestaltung achten muss.“

Jede Harfe ist ein musikalisches Kunstwerk und ein Unikat
Thurau führt auch eigene Modelle von historischen und modernen Harfen die weltweit bei Musikern für ihren Klang und eine hervorragende Verarbeitung beliebt sind. „Die Konzertharfe ist von allen Harfen das faszinierendste Saiteninstrument“, schwärmt Thurau, der seine Arbeit nicht nur als Handwerk, sondern als Kreation von Akustik sieht. „Sie ist stets eine Herausforderung, denn durch die Spannung der Saiten, die abhängig vom Modell bis zu 1.200 Kilogramm betragen kann, wird eine enorme Kraft auf den Holzrahmen ausgeübt, was bei der Konstruktion berücksichtigt werden muss.“ Vor allem aber spiele die Akustik eine entscheidende Rolle. „Die hohen Töne müssen klar und voluminös klingen und die Bässe dürfen nicht zu dominant sein, damit die Harfe im Orchester auch zur Geltung kommt.“ Besonders gefällt Thurau an seinem Beruf, dass er beim Harfenbau gestalterisch tätig sein und gleichzeitig viele seiner künstlerischen Ideen und Erfahrungen einbringen kann. „Ein schöner Nebeneffekt ist, dass ich mit den Einnahmen aus der Angewandten Kunst im Instrumentenbau meine künstlerischen Ambitionen querfinanzieren und so auch Bildende Kunstwerke erschaffen kann, die mir Freude machen.“


WTF
Rainer M. Thurau
Atelier für Angewandte Kunst
Harp & Art, Walkmühle 1, 65195 Wiesbaden
thurau-harps.com

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