Lade

Tippen zum Suchen

Tiere

This land is my land

Teilen

Was kreucht und fleucht im STUZ-Gebiet? Wilde Tiere vor der Haustür, Teil 34: Der Waschbär

von Konstantin Mahlow

Eingeschleppte Arten sind nicht nur eine Herausforderung für die Umwelt, sondern fast immer auch Spalter der Gesellschaft. Egal ob es sich um die bunten Halsbandsittiche oder den gelbzähnigen Nutrias handelt – während die einen ihre Ausrottung befürworten, appellieren andere für eine friedliche Koexistenz. Das Aussehen spielt dabei fairerweise keine Rolle, sonst hätte wohl keiner was dagegen, wenn sich die putzigen Waschbären weiterhin ungestört im STUZ-Gebiet ausbreiten und einen Lebensraum nach dem anderen besiedeln. Und für den Waschbären fällt unter dem Begriff Lebensraum nicht selten auch der nächste Campingplatz oder Dachboden. Menschlichen Mitbewohnern wird dabei kein Mitspracherecht eingeräumt, eine stärkere Bejagung vermindert die Bestände in der Regel nicht. Aber wie gefährlich für unsere Ökosysteme ist der Waschbär wirklich?

Nordamerikanische Waschbären (Procyon lotor) zählen zu der Familie der Kleinbären und sind näher mit Pandas als mit den in ihrer natürlichen Heimat vorkommenden Grizzlys verwandt. Sie sind nachtaktive Allesfresser und für ihre enorme Anpassungsfähigkeit bekannt. So war es für die zwei Waschbär-Pärchen, die 1934 von einem gewissen Wilhelm Sittich Freiherr von Berlepsch am Edersee ausgesetzt wurden, auch überhaupt kein Problem, in der hessischen Wildnis ihr neues Zuhause zu finden und sich dort eifrig zu vermehren. Motivation hinter der bewussten Ansiedlung war wahrscheinlich der doch eher naive Wunsch, die heimische Natur um eine neue Art zu bereichern. Ähnliche Vorfälle wiederholten sich, darunter auch die beabsichtigte Auswilderung durch US-Soldaten in Frankreich. Heute gibt es Waschbären in Deutschland bereits in jedem zweiten Jagdrevier, Tendenz steigend. Und genau wie in ihrer Heimat trauen sie sich auch hierzulande immer weiter in die menschliche Zivilisation.

Ihre große Stärke ist die blitzschnelle Einnahme von ökologischen Nischen, aus denen sie sich in der Folge kaum noch verdrängen lassen. Und wenn sich sonst niemand dazu berufen fühlt, die Bio-Tonne im Hof oder die Taubeneier auf dem Dach zu plündern, dann bitte schön. „This land is your land and this land is my land“ heißt es in einem amerikanischen Klassiker, und es ist beinahe zum schmunzeln, dass nun aus der anderen Richtung etwas zurück kommt. Wäre es nicht so traurig für die hiesige Natur. Denn im Gegensatz zu dem adeligen Forstmeister oder den US-Soldaten in Frankreich weiß man heute nur zu gut, welchen Schaden gebietsfremde Arten oder Neozoen anrichten können. Nur, so eindeutig ist das Ausmaß der Bedrohung nicht. Dementsprechend unterschiedlich fallen auch die Meinungen über den weiteren Umgang mit Wachbären aus.

Auf der einen Seite steht die Vermutung im Raum, dass Waschbären, die neben Fröschen nichts so lieben wie Vogeleier, insbesondere bodenbrütende Arten dezimieren. Nicht selten wird dann die „Entnahme“ der Tiere gefordert – letztendlich eine euphemistische Umschreibung für deren Tötung. Vor allem für lokal begrenzte Populationen seltener Vogelarten kann das sinnvoll sein. Laut dem NABU sollte allerdings vielmehr der Schutz der Lebensräume im Vordergrund stehen statt die gezielte Bejagung einzelner Arten. Umso vielseitiger die Natur ist, umso geringer ist der Einfluss einwandernder Prädatoren. Doch in dem Wissen, dass viele stadtnahe Lebensräume diese Voraussetzung nicht gewährleisten und so schnell auch nicht tun werden, ist das eine mindestens optimistische Lösung. Wichtig bleibt es vorerst, den tatsächlichen Einfluss der Waschbären auf die Biodiversität und den vermeintlich kausalen Zusammenhang zwischen ihrer Ausbreitung und dem Verschwinden bestimmter Arten weiter unter die Lupe zu nehmen.

Während es aus Mainz nur vereinzelte Nachweise gibt, ist das immer schon amerikanische Wiesbaden längst Raccoon-Country. Unter anderem auf dem Sonnenberg haben sie sich fest etabliert. Vor kurzem mussten sich auch die Camper auf der Rettbergsaue über den korrekten Umgang mit Essensresten im Umfeld hungriger Waschbären unterrichten lassen. Haben die schlauen Diebe nämlich einmal kapiert, dass niemand ihnen nachstellt und es gleichzeitig genügend Nahrung gibt, haben sie auch nicht mehr vor zu gehen. Für eine Sorte Mensch kann das aber auch eine gute Nachricht sein: Patrouillieren Waschbären in der Nachbarschaft, halten sich freilaufende Katzen meistens fern. Und die mag ja auch nicht jeder.

Foto: Joshua J. Cotten

Tags
Vorheriger Artikel
Nächster Artikel

Dies könnte auch interessant sein