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Gesellschaft

Fight for your right

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Wenn der Wert von Menschen und ihr Zugang zu Grundrechten an ihrer Nützlichkeit festgemacht wird, ist die Würde des Menschen antastbar – Die Bundesregierung will die Zuwanderung eindämmen, außer sie hilft der Wirtschaft oder dem Militär.

von Leon Groß

Rechter Populismus ist in allen Teilen der Gesellschaft und in fast allen Parteien auf dem Vormarsch. Besonders in der Debatte um Migration und Abschiebungen stößt man zunehmend auf menschenverachtende Argumentation.

Anfang Januar berichtet das Recherchezentrum Correctiv über ein im Geheimen stattfindendes Treffen von AFD- und CDU Politikern mit Szene bekannten Rechtsextremen. Das zentrale Thema der „Wannseekonferenz 2.0“ ist die Vertreibung und Ausweisung von Menschen aufgrund rassistischer Kriterien. Eine Woche später verabschiedet die Ampel das „Rückführungsverbesserungsgesetz“, das laut Aussage des Innenministeriums „die Rückführung von Menschen ohne Bleibeperspektive“ vereinfachen und die Kommunen entlasten soll. Wiebke Judith von Pro Asyl kritisiert hingegen, das neue Gesetz löse keine Probleme, sondern bediene lediglich rechten Populismus. Auch einige Abgeordnete der Grünen sehen in der im Gesetz enthaltenen Verlängerung des Ausreisegewahrsams, sowie in den erweiterten Durchsuchungskompetenzen der Polizei schwerwiegende Eingriffe in die Grundrechte. Die geistige Überschrift für diese Ereignisse liefert Bundeskanzler Olaf Scholz mit seiner Aussage in einem Spiegel Interview schon im Oktober: „Wir müssen endlich im großen Stil abschieben.“

Wie diese Aussage verdeutlicht, geht es in der Migrationsdebatte zunehmend um das zur Schau stellen von Härte und Konsequenz, wobei zweckdienliche Lösungen und konkrete Hilfe für Schutzsuchende in den Hintergrund geraten. Dies gilt zumindest für den Teil der Migrationsdebatte, der sich auf Menschen bezieht, die auf der Flucht vor lebensunwürdigen Zuständen in Deutschland Schutz suchen. Einen anderen Ton schlägt die Bundesregierung dann an, wenn es um Migration geht, die der deutschen Wirtschaft hilft oder noch besser: dem deutschen Militär.

Laut eigener Aussage möchte die Bundesregierung „die Zuwanderung von Fachkräften aus dem Ausland fördern und auch das Potenzial der Geflüchteten nutzen.“ Zudem erklärte Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius im Tagespiegel man prüfe auch Soldat:innen ohne deutschen Pass für die Bundeswehr zuzulassen. Dazu gehöre die Überlegung bei erfolgreich abgeleistetem Dienst einen vereinfachten Zugang zu Einbürgerungen zu gewährleisten. Sowohl die FDP als auch die Union unterstützen diesen Vorschlag. Aus den Unterschieden wie über Zuwanderung gesprochen wird, ergibt sich folgendes Bild: Wer nützlich für die Wirtschaft ist oder sogar bereit unter Einsatz des eigenen Lebens für Deutschland zu kämpfen, scheint ein größeres Recht auf den deutschen Pass und die damit verbundenen Grundrechte zu haben als andere. Ganz so als würde der Wert eines Menschen und sein Zugang zu Menschenrechten von seinem Nutzen oder Gebrauchswert abhängen. Eine solche Kategorisierung bei der Zuwanderung ist kein Alleinstellungsmerkmal deutscher Politik, jedoch ist die deutsche Geschichte ein Alleinstellungsmerkmal, wenn es um historische Verantwortung geht.

Der erste Artikel des Grundgesetzes: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ ist ein Resultat dieser Verantwortung und bezieht sich in der Definition der Menschenwürde auf Immanuel Kant. Der Philosoph beschreibt, dass sich der Wert eines Gegenstandes aus dessen Nutzen und Brauchbarkeit ergibt und erlischt, sobald dieser Nutzen nicht mehr gewährleistet ist. Der Wert eines Menschen hingegen, ergebe sich allein aus seinem Mensch sein. Menschen haben, so Kant, immer einen Wert, auch wenn sie krank sind oder nicht arbeiten können. Diesen inhärenten Wert des Menschen bezeichnet Kant als seine Würde und eben diese wird angetastet, wenn man Menschen aufgrund ihrer Verwertbarkeit für die Wirtschaft oder das Militär bevorzugt oder benachteiligt.

Auch wenn sich der Vorschlag von Herrn Pistorius durchsetzt, wird niemand gezwungen werden für die Bundeswehr zu kämpfen, um ein dauerhaftes Bleiberecht zu erhalten. Ein solcher Zwang ist Stoff für eine dystopische Zukunft. Aber für Menschen in Notsituationen wird eine Option zum Zwang, wenn es die einzige ist und es keinen Weg zurück gibt. Für eine Person, die nicht als Fachkraft eingestuft wird und die zudem aus einem „sicheren“ Herkunftsland wie beispielsweise Afghanistan kommt, könnte die Verpflichtung in der Bundeswehr der naheliegendste Weg zu einer dauerhaften Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland sein. In diesem Fall bekäme der eigentlich empowernd gemeinte Spruch „Fight for your right“ einen traurigen Beigeschmack. Fight for your right auf Asyl, für den deutschen Pass und deine Würde.

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