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Menschenwürde Fehlanzeige

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Aussenaufnahme der Haftanstalt

Im Abschiebegefängnis in Ingelheim warten Menschen auf ihre Abschiebung – und das unter Bedingungen wie in Strafhaft. Die Soligruppe Inga unterstützt die Inhaftierten und setzt sich dafür ein, das Thema stärker in die Öffentlichkeit zu tragen.

Von Sina Möhlenkamp

Ausreisepflichtige Personen, die abgeschoben werden sollen, können in Deutschland inhaftiert werden. Gemäß Aufenthaltsgesetz dient dies zur „Sicherung der Durchführbarkeit der Abschiebung“, etwa bei vermuteter Fluchtgefahr oder anderer Annahme, dass sich Betroffene ihrer Abschiebung entziehen könnten. Da Abschiebehaft vor dem Gesetz an sich keine Bestrafung bedeutet, müssen die Betroffenen getrennt von Straftäter:innen untergebracht werden. Dafür gibt es bundesweit 16 spezielle Abschiebehafteinrichtungen. Hier warten die Menschen manchmal tage-, manchmal monatelang auf ihre Abschiebung.

Eine dieser Einrichtungen befindet sich seit mehr als 20 Jahren in der Nähe von Mainz, in Ingelheim. Der Betonklotz mit 15 Meter hohen Mauern und NATO-Draht liegt mitten im Industriegebiet. Offiziell gibt es hier 40 Plätze. Doch nicht nur die optischen Aspekte, sondern auch die Bedingungen, unter denen die Menschen hier leben, lassen sich nur schwer von denen in Strafhaft unterscheiden. „Es gibt einen Vollzugsdienst, eine Essensausgabe, Zellen mit Türen und Klappen, sogar eine Isolationszelle – es ist wie ein Knast und alles da drinnen funktioniert auch wie in einem Knast“, erzählt Maja (Name geändert) von der Soligruppe Inga aus Mainz. Gemeinsam mit Lena (Name geändert) und rund zehn weiteren Aktivist:innen setzt sie sich dafür ein, das Thema vermehrt in die Öffentlichkeit zu tragen und den Inhaftierten direkte Unterstützung zu bieten. Denn „eine menschenwürdige Behandlung ist hier nicht sicher, es geht bei dieser Haft vor allem darum, Menschen zu isolieren und von der Gesellschaft auszuschließen“, so Lena. Die Gefangenen hätten keinen Zugang zu ihren Handys und könnten nur über die Gefängnistelefone Kontakt zu Familien und Freunden halten. Auch Besuch könnten sie, wie in regulären Strafvollzugsanstalten, nur eingeschränkt in Besucher:innenzimmern und zu bestimmten Zeiten empfangen.

Problematisch sei außerdem, dass es in Rheinland-Pfalz im Gegensatz zu anderen Bundesländern kein eigenes Abschiebungshaftvollzugsgesetz gebe. Die Umsetzung der Abschiebehaft in Ingelheim sei daher nur schwer einsehbar und damit auch schwer zu schützen. „Von außen nichts rein, von drinnen nichts raus“, beschreibt Lena die Situation. Zudem fehle es nach wie vor an rechtlicher Vertretung und psychosozialer Betreuung. Zwar soll nach dem neuen § 62d Aufenthaltsgesetz den Betroffenen bei der Anordnung von Abschiebungshaft oder Ausreisegewahrsam nun zwingend ein Rechtsbeistand zur Seite gestellt werden. Es mangele aber weiterhin an qualifizierten Rechtsanwälten, die sich mit der Materie auskennen.

Denn wie aus einer Statistik von Peter Fahlbusch hervorgeht, sind die Haftanordnungen nicht immer rechtens. Der Asyl-Anwalt vertritt Menschen, die abgeschoben werden sollen und zuvor in Haft sitzen. „Mehr als die Hälfte saß zumindest teilweise zu Unrecht in Haft – manche einen Tag, manche Monate“, sagte Fahlbusch im vergangenen Jahr der Süddeutschen Zeitung. Häufig würden Verfahrensvorschriften nicht eingehalten. In einigen Fällen stimmte schon die Grundannahme nicht, dass die Menschen ausreisepflichtig seien.

Um das Bewusstsein für diese Problematik in der Zivilgesellschaft zu fördern, plant die Soligruppe verschiedene Aktionen. Im September soll es zum Beispiel eine Lesung mit einem aktivistischen Autor geben. Bei ihrem Engagement gehe es den Aktivist:innen auch darum, das Thema nicht nur isoliert zu sehen, sondern „als einen von vielen Bausteinen einer zunehmend restriktiven und rassistischen Migrations- und Asylpolitik“ zu betrachten. Die Gruppe freut sich über alle Menschen, die Interesse haben, sie dabei zu unterstützen!

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Mail: soligruppe-inga@autistici.org
Instagram: soligruppe_inga
Blog/Website: Soligruppe Inga

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