Testen statt tabuisieren

Wer Klarheit will, kann sich im Gesundheitsamt Mainz-Bingen unkompliziert und kostenlos auf sexuell übertragbare Infektionen, kurz STI, testen lassen. Ein Porträt über einen Ort, an dem Vertrauen, Offenheit und Gesundheit im Mittelpunkt stehen und über ein wichtiges Angebot für Mainz und die Umgebung.
von Caroline Alberta Glabacs
Kein Jucken, kein Brennen, kein Ausschlag. Viele Menschen, die eine sexuell übertragbare Infektion haben, merken davon zunächst nichts und gerade das macht Geschlechtskrankheiten so gefährlich. Sie bleiben oft lange unentdeckt, werden unwissentlich weitergegeben und können unbehandelt ernsthafte gesundheitliche Folgen haben. In den Räumlichkeiten des Gesundheitsamtes Mainz-Bingen werden im Rahmen der STI-Sprechstunde medizinische Aufklärung, Prävention und Schutz diskret und niederschwellig angeboten. Was viele nicht wissen, das Angebot zur Beratung und Testung ist anonym, kostenlos und offen für alle.
Wissen schützt
Im Fokus stehen HIV, Syphilis, Hepatitis sowie andere sexuell übertragbare Infektionen wie Chlamydien und Gonorrhoe. Die Ansprechpartnerinnen vor Ort, Mareike Schickle und Sabine Klein, sind engagierte Fachkräfte mit Herz und Kompetenz. Schickle ist seit der Corona-Pandemie im Gesundheitsamt und betreut vor allem die Testungen auf HIV und Hepatitis. Klein ist Laborleitung und seit zehn Jahren dabei. Mit Schwerpunkt auf die Diagnostik weiterer STI, berät sie umfassend zu Risikoverhalten und Prävention. Jeden Donnerstag wird eine offene Sprechstunde ohne Voranmeldung angeboten. „Viele Menschen haben Hemmungen, beim Hausarzt über ihre sexuellen Sorgen zu sprechen“, erklärt Mareike Schickle. Die Anonymität nimmt die Angst – kein Name, keine Krankenkasse, kein Urteil. Die Proben werden lediglich mit Initialen und einer Jahreszahl versehen, die Patientinnen und Patienten selbst wählen können. Die Ergebnisse sind etwa eine Woche später über mehrere Wege zugänglich: telefonisch, postalisch, per E-Mail oder persönlich. Den Getesteten wird ein neutraler, sicherer Raum geboten. Gerade für junge Menschen, Personen aus konservativen Familienverhältnissen, Menschen aus der LGBTQ+-Community und Sexarbeiter:innen ist das ein entscheidender Faktor.
Wer sich wann testen lassen sollte
Viele sexuell übertragbare Krankheiten verlaufen ohne Symptome, insbesondere bei Männern bleiben Infektionen oft unbemerkt. „Ein Test ist immer dann sinnvoll, wenn eine Risikosituation stattgefunden hat“, betont Klein. Aber was genau bedeutet das? Konkrete Beispiele sind etwa ungeschützter Vaginal- oder Analverkehr, besonders mit wechselnden Partnerinnen und Partnern, verrutschte oder gerissene Kondome, ungeschützter Sex mit einer Person, bei der eine STI bekannt ist, oder die gemeinsame Nutzung von Sextoys ohne vorherige Desinfektion. Schickle und Klein machen darauf aufmerksam, dass klassische Symptome wie Jucken, Brennen oder sichtbare Veränderungen im Genitalbereich umgehend ärztlich untersucht werden sollten. Hierfür ist die Sprechstunde nicht die richtige Anlaufstelle.
Zahlen aus dem Jahresbericht HIV/GK/§10 2024
10.245 Testungen zwischen 2015 und 2024
4 positive HIV-Ergebnisse im Jahr 2024
82 Prozent der Getesteten kommen aus Rheinland-Pfalz
16 Prozent der Getesteten kommen aus Hessen (dort ist die Testung entgeltlich)
Prävention ist Teamarbeit
Schickle und Klein geben klare Empfehlungen: Kondome schützen, Sextoys immer reinigen, als Risikopatient regelmäßig zur Testung kommen. Ein besonderes Augenmerk liegt auf der gesundheitlichen Beratung nach Paragraf 10 des Prostituiertenschutzgesetzes. Der Kontakt zur Beratungsstelle „Selma“ schafft eine wichtige Brücke zwischen juristischer und medizinischer Unterstützung für Sexarbeiter:innen – ein Bereich, der oft übersehen wird. Das Testungsangebot wird geschätzt, viele Personen kommen auf Empfehlung. „Es ist schön zu sehen, wie gut unser Angebot angenommen wird. Wir spüren echte Dankbarkeit“, so Schickle und Klein. Das Gesundheitsamt ist nicht nur ein medizinischer Ort, sondern auch aktiv an der Aufklärungsarbeit beteiligt. Vertreten sind sie beim Christopher Street Day (CSD) Mainz sowie am Welt-AIDS-Tag. Auch mit Testaktionen auf dem Uni-Campus zusammen mit dem Queer-Referat und durch Aufklärungsarbeit an Mainzer Schulen bringen sie sich öffentlichkeitswirksam ein.
Ein Blick in die Zukunft
„Wir wünschen uns, dass Angebote wie unsere bundesweit zugänglich, kostenlos und niederschwellig bleiben beziehungsweise werden, im besten Fall sogar ausgebaut werden“, sagen Klein und Schickle. Ihre Arbeit zeigt: Wenn Gesundheit enttabuisiert und für alle erreichbar ist, entsteht echte Prävention. Es geht dabei um nicht weniger als um Wissen, Schutz und die Möglichkeit, für sich selbst und andere Verantwortung zu übernehmen.
WTF
Gesundheitsamt Mainz-Bingen
Isaac-Fulda-Allee 2d, 55124 Mainz
HIV-Sprechstunde
Mareike Schickle
06131/693 334238
schickle.mareike@mainz-bingen.de
STI-Sprechstunde
Sabine Klein
06131/693334241
klein.sabine@mainz-bingen.de
Foto: Rama, CC BY-SA 3.0 FR, via Wikimedia Commons