Alien auf Erden

Zwischen Caracas, Color Cans und dem kulturellen Kosmos des Meeting of Styles (MoS) vom 12. bis 15. Juni in Mainz-Kastel steht Graffiti-Artist und MoS-Verbündeter „Alien“ der STUZ Rede und Antwort.
von Caroline Alberta Glabacs
Sprühnebel liegt in der Luft. Aus Lautsprechern dröhnen Beats. Und zwischen knalligen Farben und vielfältigen Styles begegnet man internationalen Künstler:innen, die mit Dosen sprechen, statt mit Worten. Vom 12. bis 15. Juni wird der Untergrund am Brückenkopf wieder zur Leinwand, denn das Meeting of Styles kehrt nach Mainz-Kastel zurück. Das internationale Graffiti-Festival wächst. Es wird größer, bunter, globaler. „Knapp 70 Künstler:innen aus 23 Ländern sind angekündigt“, verrät Oscar – alias „Alien“ – Graffiti-Artist aus Caracas, Venezuela. Zudem wird eines der größten Street-Art-Festivals der Welt mit einem neuen Highlight aufwarten: „Zum ersten Mal gibt es einen Graffiti Battle, einen Wettkampf um den kreativsten Character“, weiß Oscar.
Weltenbürger und Brückenbauer
Mit 37 Jahren blickt Oscar auf 25 Jahre Graffiti zurück. Sein Style? Ein Mix aus Skizzenbuch, Straßenflair und digitalem Design. Als Illustrator und Grafikdesigner lebt er seit 2018 in Deutschland, doch seine künstlerische Heimat bleibt universell. Neben Wildstyle Pieces, der Königsklasse im Graffiti, die auf komplexe, verdrehte Symbole und Effekte setzt, tummeln sich auch Figuren im Cartoon Style, inspiriert von Comics und Pin-Up-Ästhetik. Als erste Inspiration nennt er die Stick Up Kids der 90er-Jahre, eine bis heute aktive Graffiti Crew mit Wurzeln in Deutschland.
Für Alien ist Graffiti mehr als Kunst. Es ist Ausdruck, Emotion, ein stiller Schrei mit visuellem Echo. „Ich kann zeigen, was ich fühle, ohne es erklären zu müssen. Ich unterschreibe einfach mit meinem Tag“, sagt Alien. Jedes Graffiti ist eine Konversation mit der Stadt und mit den Menschen, die stehen bleiben und staunen. „Ich liebe ihre Reaktionen, diesen Moment, wenn du jemanden zum Denken bringst“, erklärt Oscar. Es geht darum, mit seiner Crew zusammenzukommen, sich auszutauschen, Musik zu hören, sich selbst auszudrücken. Doch die Szene hat sich verändert. Die Komponenten des Hip-Hops sind zunehmend separiert voneinander und haben sich als jeweils eigene Kunstformen etabliert. „Heute ist alles mehr getrennt. Viele, die sprühen, wissen nichts über die Ursprünge“, bestätigt Alien. Stört ihn das? „Nein, gar nicht. Es ist okay, wenn sich Kunst weiterentwickelt. Für mich fällt alles unter Streetart.“ Wie Oscar ein neues Werk angeht, ist unterschiedlich. Auch wenn er meistens eine grobe Vorstellung hat, verfliegen die Ideen oft schnell. Dann ist Improvisation angesagt. Alien ist seit 2015 regelmäßig beim MoS dabei. Dieses Jahr wird er selbst nicht sprühen, stattdessen hat er sich um die visuelle Gestaltung des Flyers gekümmert und hilft im Hintergrund an der Seite des MoS-Veranstalters, Manuel Gerullis.
Kunst ohne Grenzen
Für Alien ist das MoS mehr als ein Event, es ist ein kulturelles Kraftwerk. Auch Alien ist gut rumgekommen: „Du lernst neue Menschen kennen, neue Kulturen. Die Stadt wird verschönert und du hinterlässt Spuren, die bleiben.“ Oscar kennt auch die Schattenseiten und ist selbst schon in Schwierigkeiten geraten wegen Graffiti, zwar nicht in Deutschland, aber in Caracas. Dort kann es nicht nur wegen der Polizei gefährlich werden. Auch Straßenkriminalität spielt dort eine Rolle. Aber Risiken gehören dazu, wie Oscar weiß: „Als Künstler will man die Stadt zum Leuchten bringen, Botschaften senden.“ In der Szene gibt es ungeschriebene Gesetze. Für Alien ist nur eines heilig: „Respektiere, wer vor dir da war und wer neben dir malt.“ Alles andere? Spielplatz. Aliens Kunst entwickelt sich stetig. Heute ist seine Kunst nicht mehr nur auf Wänden. Sie hängt in Museen, ist bei Expos ausgestellt, ziert Bücher, lebt online. „Vielleicht bald auch im Metaverse? Ich will überall sein“, sagt Alien lachend. Zum Schluss noch die große Frage. Wenn Oscar sich einen Ort auf der Welt aussuchen dürfte, um legal zu sprühen, wo wäre das? Er überlegt lange. Dann grinst er. „Der Vatikan.“
Insta: Alien, Meeting of Styles
Web: meetingofstyles.com