Die 7 Todsünden der Mainzer Radinfrastruktur

Es heißt ja, der Weg ist das Ziel. Wer aber in Mainz Fahrrad fährt, merkt schnell: Der Weg ist das Problem. Aber was genau stellt die Geduld der Radfahrer:innen in Mainz auf die Probe? Anlässlich des Weltfahrradtages am 3. Juni hier die Top 7 der absurdesten Mainzer Radstrecken. Von Janina Dillmann
Platz 7: Slalom an der Ampel
Auf der Saarstraße – kurz bevor es hoch zur Universität geht – wird der Radweg kurzerhand zum Wartebereich für Fußgänger:innen an der Ampel umfunktioniert. Wer hier radelt, fährt Slalom durch Menschentrauben, um Kinderwägen oder andere wartende Radelnde herum. Tipp: Laut klingeln.
Platz 6: Ist das Kunst oder kann das weg?
Wenn Baustellen auftauchen, heißt es: Rein in den Autoverkehr oder bitte absteigen. So teilen sich Radfahrer:innen momentan auf der Binger Straße Richtung Mainzer Hauptbahnhof den Fahrstreifen mit den Autos. Kein Schutz, nur Symbolik – ein aufgemaltes Fahrrad ersetzt keinen Radweg.
Platz 5: Wo parkt Mainz?
Es ist ein Klassiker: Der Radweg ist daran zu erkennen, dass ein Auto draufsteht. Alternativ ist es ein Lieferwagen – oder drei. Es scheint, der weiße Streifen dient nur zur besseren Parkausrichtung. Für Radfahrende bleibt dann nur Ausweichen auf die Straße und hoffen, dass der Busfahrer oder die Busfahrerin einen guten Tag hat.
Platz 4: Das Bermuda-Dreieck
Am Parkhaus Weißliliengasse ist Multitasking gefragt: Der Radweg kreuzt sich mit dem Gehweg und die Autos fahren gleichzeitig aus dem Parkhaus. Wer nicht aufpasst, fährt entweder auf ein wartendes Auto auf oder wird selbst von einem Auto erfasst. Im Zweifel sehen die einen nämlich nicht. Lichtblick: Die Benutzungspflicht für Radwege wurde bereits aufgehoben – Radfahrer:innen dürfen mittlerweile auch auf dem Busstreifen fahren.
Platz 3: Naturerlebnis Radweg
Grünflächen sind wichtig. Wirklich. Nur fragt man sich: Warum ausgerechnet auf dem Radweg? An dieser Stelle am Bahnhof scheint die Stadt ausnahmsweise an urbane Begrünung gedacht zu haben. Zwischen Ästen und Baumwurzeln wird Radfahren hier zum Naturerlebnis. Gut wer hier ein geländegängiges Rad besitzt.
Platz 2: Ab durch die Mitte
An der Haltestelle Pfaffengasse hat die Stadt ein Experiment gestartet: Wie viele Verkehrsarten passen auf zehn Quadratmeter? Ergebnis: Gehweg, Bushaltestelle und Radweg – alles in einem. Das Ergebnis fühlt sich nach Escape Room an. Spoiler: Niemand gewinnt.
Platz 1: Malakoff-Passage – der Endgegner
Die ultimative Herausforderung: Wer hier versucht, als Radfahrer legal die Straße zu überqueren, stellt fest: Es ist unmöglich. Der Radweg endet im Nichts. Radfahrer:innen werden stattdessen vor die Wahl gestellt: Die Straße gemeinsam mit dem Fußvolk überqueren, nur um an der Treppe hoch zur Malakoff-Passage oder dem entgegenkommenden Autoverkehr zu scheitern oder mutig die Fahrbahn nutzen. Hier gilt: Schnell sein – der Gegenverkehr lässt nicht lange auf sich warten.
Radwende in Sicht?
So viel zur Diagnose. Die gute Nachricht: Es soll besser werden. Wirklich. Mainz hat den „Radkonsens“ ausgerufen – eine Initiative, die zumindest auf dem Papier vielversprechend aussieht. Die Landeshauptstadt nimmt 200.000 Euro in die Hand. Das klingt noch nicht nach Radwegrevolution, der Wille ist aber da. Und das ist in verkehrspolitischen Fragen schon die halbe Miete.
Kernstück der Initiative ist das Projekt „Radnetz Mainz“. Es basiert auf einer Mobilitätsbefragung, den Ergebnissen des Stadtradelns, vorhandenen städtischen Konzepten sowie einem Entwurf des ehrenamtlichen Vereins Mapathon. Daraus entwickelten die Unternehmen Ramboll und Mobycon ein Netzkonzept, das sich in der letzten Überarbeitung befindet. Das wird dann in einer letzten öffentlichen Beteiligungsrunde am 26. Juni 2025 vorgestellt, so die Stadt Mainz auf ihrer Website.
Wie das zukünftige Radnetz in Mainz konkret aussehen wird, lässt sich schon jetzt in groben Zügen erkennen. Geplant ist ein engmaschiges Netz, bei dem Radwege in einem Raster von maximal 500 Metern verlaufen sollen, so die Verantwortlichen von Ramboll und Mobycon in ihrem ersten Netzentwurf. Das bedeutet: Egal, wo man sich in der Stadt befindet – der nächste Radweg ist nie weit entfernt. Ein zentrales Ziel ist es außerdem, Lücken zu schließen. Radwege sollen künftig nicht mehr abrupt enden oder ins Nichts führen, sondern durchgängig und sicher befahrbar sein. Klingt ambitioniert. Aber wer weiß: Vielleicht radeln wir bald tatsächlich durch ein Mainz, in dem der Radweg nicht nach drei Straßenecken endet.
Titelfoto: Tom Mills, CC BY-SA 2.0, via Wikimedia Commons