„Wir lassen uns nicht einschüchtern“

Mit einer Anfrage im Mainzer Stadtrat zur finanziellen Förderung von Initiativen und Vereinen durch die Stadt zielt die AfD auf zivilgesellschaftliche Organisationen. Manche der betroffenen Gruppen sehen darin einen Angriff auf die Zivilgesellschaft und wehren sich.
von Rebekka Schäfer
Was haben die Landesschüler*innenvertretung Rheinland-Pfalz und das Bistum Mainz gemeinsam? Auf den ersten Blick nicht viel. Die Alternative für Deutschland (AfD) in Mainz sieht das anders und stellte am 9. April dazu eine Anfrage in der Sitzung des Stadtrats. Darin aufgelistet: die Namen von 53 Vereinen, Initiativen und Organisationen. Neben Kirche und Schüler:innenvertretung finden sich darin auch der Flüchtlingsrat Rheinland-Pfalz, Amnesty International und die „Omas gegen Rechts“. Gruppen verschiedenster Ausrichtungen, die meisten davon eint ihr zivilgesellschaftliches Engagement.
Was hat es nun mit der Anfrage der AfD auf sich? Die möchte wissen, welche der Gruppierungen finanzielle Förderung von der Stadt erhalten hatten. Wie die Allgemeine Zeitung berichtete, stecke aber noch etwas anderes dahinter: Die AfD wolle klarstellen, wen sie als „linksradikal“ erachte, sagte der Fraktionsvorsitzende Arne Kuster gegenüber der AZ.
„Mainz for Democracy“ ist eine der genannten Initiativen. Sie setzen sich für eine demokratische Gesellschaft ein, die sie durch die AfD und den erstarkenden Rechtspopulismus bedroht sehen. Etwa drei Wochen vor der Bundestagswahl im Februar gründeten eine Handvoll engagierter Menschen in Mainz die Gruppe. Die meisten von ihnen seien vorher schon politisch aktiv gewesen, etwa in der Klimabewegung, sagt Thomas Klisch, einer der Gründer*innen von Mainz for Democracy. Auch Valentina Boycheva ist von Anfang an dabei. Angesichts des Rechtsrucks und den bevorstehenden Wahlen haben sie „nicht einfach zuschauen wollen“, sondern sich überlegt, wie sie der „Ohnmacht“ etwas entgegensetzen könnten. In den Wochen vor der Wahl hat Mainz for Democracy mehrere Veranstaltungen und Demonstrationen organisiert. Ihre Protestmethoden sind vielfältig: in „Murmelrunden“ kommen die Menschen auf Demonstrationen miteinander ins Gespräch und auf Postkarten werden Forderungen an Politiker:innen geschrieben. Nur auf die Straße zu gehen, reiche aber nicht aus, sagen Thomas und Valentina. Sie wollen nachhaltige Veränderungen erreichen – und dazu sei es wichtig, auf diejenigen zuzugehen, die sich noch gar nicht mit der Wahl auseinandergesetzt hatten. In Haustürgesprächen lud die Gruppe Menschen ein, mit ihnen über Politik zu sprechen. Valentina beschreibt es als „Konzept von Nachbarschaft“: „Es geht darum, zu schauen, was passiert hier um uns herum?“. Sie wolle Menschen dazu ermutigen, sich mit Politik zu beschäftigen und für eine starke Zivilgesellschaft einzusetzen. Denn dazu brauche es gar nicht viel, das stecke in uns allen, meint Thomas.
Die Anfrage der Mainzer AfD werten Valentina und Thomas als Versuch, engagierte Menschen einzuschüchtern. Dass auch Mainz for Democracy darin auftaucht, ist für sie nicht überraschend. Es sei kein Zufall, dass Gruppen genannt sind, die sich für die Demokratie einsetzen, sagt Thomas: „Die machen alle sehr wichtige zivilgesellschaftliche Arbeit – und das ist der Grund, warum die AfD ein Problem mit ihnen hat“.
Und Mainz ist kein Einzelfall. Auf Bundesebene stellte die CDU im Februar eine ähnliche Anfrage. Kurz zuvor hatten Hunderttausende gegen die gemeinsame Abstimmung von CDU und AfD zum Anti-Migrationsantrag im Bundestag protestiert. Diese Politik der Einschüchterung sei eine bekannte rechte Strategie, sagt der Demokratieforscher Hans Vorländer. Das wissen auch Thomas und Valentina: „Die AfD will Gruppen wie uns Angst machen.“ Gemeinnützige Vereine zum Beispiel wären existenziell bedroht, wenn ihnen die Gemeinnützigkeit entzogen würde. Die Gefahr dabei: Organisationen und Initiativen werden durch solche Anfragen dazu gedrängt, sich zu rechtfertigen. Man sei versucht, reflexhaft zu entgegnen: „Aber wir sind nicht linksradikal“, sagt Thomas. Mainz for Democracy will das Spiel der AfD nicht mitspielen: „Wir lassen uns davon nicht einschüchtern“, meint Valentina. „Wir sind Gruppen mit unterschiedlichen Hintergründen und Ausrichtungen. Natürlich haben wir nicht immer die gleiche Meinung zu allem – aber was uns eint, ist, dass wir alle für Menschlichkeit und Demokratie einstehen. Und, dass wir uns nicht zur Zielscheibe der AfD machen lassen.“
Mit ihrer Anfrage hätte die AfD ihnen in gewisser Weise einen Gefallen getan, sagt Thomas schmunzelnd: „Alle haben sie zwar nicht erwischt – aber die AfD hat uns eine gute Vorarbeit geleistet und immerhin 53 Vereine und Initiativen gefunden, die sich für eine demokratische und vielfältige Gesellschaft einsetzen“. Wie es jetzt weitergeht? Diese Gruppen zusammenzubringen und gemeinsam aktiv werden, sei eines ihrer Ziele. Im April hatten sie dazu alle von der Anfrage betroffenen Gruppen zu einem ersten Bündnistreffen eingeladen. Denn nach der Wahl ist vor der Wahl: Im März 2026 wird ein neuer Landtag in Rheinland-Pfalz gewählt. Ihr Engagement sehen Valentina und Thomas nicht als kurzfristigen Aktivismus – es müsse vielmehr ein Marathon sein.