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Jede Familie hat ihre Geheimnisse

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Schluss mit Altherren-Disziplin: Immer mehr junge Menschen begeistern sich für die Suche nach den eigenen Wurzeln.

Von Tim Porzer

Die Suche nach der eigenen Herkunft war im öffentlichen Bewusstsein lange Zeit die Disziplin alter Herren. Was unter dem Begriff der Ahnenforschung lange Zeit verpönt schien, erfreut sich nun als Genealogie neuer Beliebtheit – auch bei der jüngeren Generation. „Ahnenforschung ist ein alter Begriff, den ich nicht gerne benutze. Er wirkt verstaubt und wird mit dem Ahnenpass assoziiert. Da finde ich Familienforschung einen schöneren Begriff“, erklärt Cosima Jungk. Die 25-Jährige arbeitet als freiberufliche Genealogin und beschäftigt sich seit 2016 mit dem Thema Genealogie. Während der Ahnenpass auf den Zwang seine Wurzeln in der NS-Zeit nachweisen zu können verweist, geht es den heutigen Familienforschern um die freiwillige Beschäftigung mit der eigenen Geschichte. Für Cosima Jungk ist das neue Interesse an der alten Disziplin keine Überraschung, sondern „eine Art, seine Identität zu finden. Es geht um die Frage, wie definiere ich mich selbst“.

Genealogie goes Social Media

Wie viele junge Genealogen ist Cosima Jungk auf Facebook und Instagram unterwegs: „Die Gemeinde ist dort sehr aktiv“, erzählt sie. Gerade Anfänger finden hier Hinweise und Hilfe bei Problemen: „Ich freue mich immer über neue Follower auf Facebook und Instagram, da berichte ich als Fräulein Genealogie von Archivbesuchen, gebe Tipps und bei Fragen kann man mich gerne anschreiben.“

Hier zeigen sich bereits die Spaltung zwischen der jüngeren und älteren Generation: „Momentan gibt es zwei Gruppen. Die klassischen Ahnenforscher sind zumeist Rentner, die lokal organisiert sind. Die anderen sind Instagram- und Facebook-Nutzer, die sich stark zu diesem Thema austauschen“, berichtet Cosima Jungk. Die perfekte Voraussetzung für Genealogie: „Es ist einfacher denn je, denn die meisten Quellen und Dokumente sind digital auffindbar.“

Genealogie – wo fange ich an?

„Der Startpunkt ist die eigene Familie, dort sollte man so viel Wissen wie möglich sammeln. Man startet mit den ,Magic 7‘, den Daten bis zur Generation der Urgroßeltern“, erklärt Cosima Jungk. Für die junge Genealogin ist das Familiengedächtnis bis zu den Urgroßeltern ein guter Einstieg. Gleichzeitig verweist sie auf die Bedeutung der Geburtsdaten: „Das ist wichtig für die Sperrfrist auf Dokumente in Deutschland.“ Auf dem Standesamt beträgt diese bei Geburtsdaten aktuell 110 Jahre. Um die Suche nach und nach vertiefen zu können nennt Cosima einige Quellen: „Das sind Kirchenbücher, das Standesamt, aber auch Gerichts- und Entnazifizierungsakten.“
Je nachdem wie weit man in die eigene Familiengeschichte zurückreist, können auch Latein- und deutsche Kurrentschrift-Kenntnisse erforderlich werden, aber auch hier weiß Cosima Jungk Hilfe: „Das Lesen von Kurrent kommt durch Übung. Es gibt auch Facebook-Gruppen, die bei der Transkription helfen.“

Hat man Informationen gesammelt, müssen diese natürlich auch festgehalten werden. Das geschieht heute digital. „Nützlich sind Programme mit festen Eingabefeldern und Gestaltungsmöglichkeiten“, empfiehlt Cosima und verrät: „in Deutschland gibt es ein festes Dateiformat, GEDCOM.“ So können die gesammelten Informationen leicht exportiert werden. Der Benutzer hat dabei die Auswahl aus einer Fülle kostenfreier und kostenpflichtiger Software. „Den Stammbaum erstellen ist gratis machbar, Kosten verursachen eher der Onlinezugriff auf die Quellen, je nach Quelle. Das ist in Portalen sehr bequem“, differenziert Cosima die Kostenverteilung und erklärt zugleich warum Portale wie Ancestry und MyHeritage sich großer Beliebtheit erfreuen. Hier sind Dokumente wie Kirchenbüchereinträge und öffentliche Stammbäume digital hinterlegt und bequem von zu Hause aus einsehbar. „Das Problem ist, dass viele Portale gewisse Quellen exklusiv haben“, berichtet Cosima Jungk. Die Kosten für die Nutzung der Portale variieren dabei. Für Einsteiger empfiehlt es sich daher, zunächst günstige Angebote auszuprobieren.

Den Reiz an der Genealogie macht für Cosima das Unbekannte aus: „Jede Familie hat ihre Geheimnisse, manche will man wissen, andere will man nicht erfahren. Daher sollte man damit rechnen, dass nicht jeder in der Familie das gut findet.“
Wer sich selbst intensiver mit dem Thema Genealogie beschäftigen möchte, im kommenden Wintersemester bietet Cosima Jungk im Rahmen der Campus Kulturkurse der JGU Mainz einen Grundlagenkurs zum Thema Genealogie an. Der Termin ist voraussichtlich mittwochs von 18 bis 20 Uhr.

 

WTF: www.campus-mainz.net/kulturkurse
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