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Tiere

Die Stadt als Jagdrevier

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Was kreucht und fleucht im STUZ-Gebiet? Wilde Tiere vor der Haustür – Teil 5: Der Steinmarder

von Konstantin Mahlow

So schnell der dunkle Schatten unter dem geparkten VW hervorgetaucht war, so schnell war er auch wieder verschwunden. Vor der Studentenkneipe in der Mainzer Neustadt wird unter den anwesenden Rauchern noch kurz diskutiert, was da gerade an einem vorbeigelaufen ist; immerhin lässt die seltsam geduckte Gangart eine Katze ausschließen. Doch ein paar Züge später hat sich das Interesse auch schon wieder verflüchtigt und das Gesprächsthema verschoben. Der Steinmarder kann weiter unbehelligt seinen nächtlichen Streifgang durch das Revier fortsetzten – heimlich und beinahe unbemerkt. Immer auf der Suche nach Nahrung, wovon es in der Stadt nur so wimmelt. Aber auch nach Artgenossen, die es zu vertreiben gilt. Denn ein Marder teilt sich die Straße nur ungern.
In den Betonwüsten der Innenstädte, wo sich der Fuchs nur selten hin wagt, nimmt der Steinmarder (Martes foina) als größtes Landraubtier die Spitze der Nahrungskette ein. Von der ähnlich großen Hauskatze lässt er sich leicht und auch im Dunkeln anhand des langgestreckten, schlanken Körperbaus, der kurzen Gliedmaßen und des buschigen Schwanzes unterscheiden. Seine Brust ist im Gegensatz zu der des nah verwandten Baumarders schneeweiß statt gelblich gefärbt. In unseren Städten tendiert die Verwechslungsgefahr zwischen den beiden Marderarten allerdings gegen null, da Baumarder lieber den Menschen meiden und in den Wäldern bleiben. Steinmarder dagegen waren schon immer Bewohner offener Landschaften und womöglich schon sehr früh Kulturfolger. Selbst in bewohnten Häusern finden die Jäger Rückzugsmöglichkeiten – gerne in leeren Dachstühlen, in denen die nachtaktiven Tiere für ordentlich Lärm sorgen können. Nicht selten muss die Polizei wegen eines vermeintlichen Einbruchs anrücken, nur um im Anschluss festzustellen, dass es sich dabei um einen umtriebigen Marder handelt.

Aggressionen gegen Autos
Aufgrund dieser Nähe zum Menschen wird der Steinmarder auch Hausmarder genannt. Ein weiterer Titel, der bei den meisten für Unbehagen sorgt, lautet Automarder. Steinmarder sind seit jeher dafür bekannt, Kabel und Schläuche unter dem Auto zu zerbeißen, mit unschönen Folgen für die Besitzer. Hinter diesem Phänomen steckt weder die Rache der Natur noch die Anziehungskraft warmer Motoren, sondern das Revierverhalten der allein lebenden Jäger. Hat ein Marder unter einem Auto sein Revier markiert, verfällt der nächste, der den fremden Geruch wahrnimmt, in einen aggressiven Rausch. Dann kann es vorkommen, dass der wütende Marder das markierte Fahrzeug attackiert und beschädigt. Warum die Tiere überhaupt unter den parkenden Blechbüchsen Zuflucht suchen, lässt sich nachts mit etwas Glück vom Fenster aus beobachten: In den vegetationsarmen Straßenzügen der Innenstädte bewegen sich die Marder von Auto zu Auto und nutzen sie wie eine sichere Unterführung, manchmal direkt vor den Nasen nichtsahnender Raucher.
Doch ihre räuberische Natur eckt auch außerhalb des Straßenverkehrs immer wieder an, vor allem unter Stallbesitzern. Hühner und Kaninchen stehen auf der Speisekarte des Marders ganz oben, gerade dann, wenn sie eingesperrt in kleinen Käfigen wie für ihn serviert ausharren. Schafft der Marder es, nach teilweise wochenlanger Observation eine Lücke zu finden und in den Stall einzudringen, weiß er vor lauter umher flatternder Leckerbissen oft gar nicht wie ihm geschieht. Die in Todesangst panisch agierenden Hühner sorgen dann leider dafür, dass sein Jagdinstinkt immer wieder aufs Neue geweckt wird – solange, bis eben nichts mehr flattert. Weil er sich danach nur die fetteste Beute mitnimmt, aber den Rest nur selten in einem Stück übrig lässt, muss der ein oder andere Hühnerzüchter ein grausames Bild verkraften. Logisch, dass das dem Ruf des Marders nicht gerade zugute kommt.
Dass der Steinmarder keinen bösartigen Charakter hat, sondern schlicht seiner Natur folgt, muss nicht extra betont werden. Vielmehr sollte man sich klar machen, wer da vor der Haustür auf Jagd geht: Ein echtes Raubtier. Steinmarder sind opportunistische Jäger und erlegen, was sie erlegen können. In Wiesbaden und Mainz sind das vor allem Haus- und Ringeltauben sowie Nagetiere wie Ratten und Mäuse; im Sommer kommen mit Beeren und Früchten auch vegane Alternativen auf den Tisch. Wie viele Marder es im STUZ-Gebiet genau gibt, ist übrigens nicht bekannt. Fakt ist jedoch, dass die Sichtungen seltsam geduckt laufender Katzen in den letzten Jahren deutlich zugenommen haben. Selbst Revierkämpfe werden verstärkt beobachtet. Das zeigt, dass unsere Innenstädte längst auch Marderreviere sind und die Jäger sich fest etabliert haben. Was wiederum bedeutet, vor jeder Fahrt mit dem Auto unbedingt die Bremsen zu prüfen.

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