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Mainz

Neues Jahr, altes Sterben

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Informieren, rebellieren: Die Sonderausstellung „Tot wie ein Dodo“ im Mainzer Naturhistorischen Museum beschäftigt sich mit verlorenen und bedrohten Arten – und wirbt für Veränderung.

von Greta Hüllmann

Es ist Januar. Die Tannenbäume verlieren ihre Nadeln, die Vanillekipferl werden stetig trockener und Weihnachtsgefühle werden gemeinsam mit den unliebsamen Geschenken für die nächsten Monate in Kisten unter dem Bett verstaut. Zwar werden die Tage ab dem 21. Dezember wieder länger, theoretisch besagt das so zumindest die Wintersonnenwende, aber davon zu spüren, ist kaum etwas. Weshalb sollte in dieser wohl trostlosesten Periode des Jahres eine Ausstellung mit den Worten „tot“ und „sterben“ im Titel das Richtige sein? Die Rede ist von der Sonderausstellung „Tot wie ein Dodo – Arten. Sterben. Gestern. Heute.“ im Naturhistorischen Museum in Mainz.

So traurig die ersten Assoziationen auch sein mögen, die bei dem Wort „Artensterben“ aufsteigen, so wichtig ist es doch, sich diesem Thema anzunähern. Welche Arten wurden bereits ausgerottet, welche Rolle spielt dabei der Klimawandel und welche Tiere sind im jungen Jahr 2022 akut bedroht? Die Ausstellung im Naturhistorischen Museum bietet Antworten auf all diese Fragen, indem sie nicht nur wissenschaftliche Erkenntnisse liefert, sondern auch einen visuellen Zugang bietet. Museumsdirektor Dr. Bernd Herkner sieht im Verlust der biologischen Vielfalt die größte Bedrohung für die Menschheit. „Über diese Bedrohungen objektiv und wissenschaftlich fundiert zu informieren und über die Ursachen aufzuklären, gehört gegenwärtig zu den bedeutendsten Aufgaben des Naturhistorischen Museums.“, erläutert Herkner der STUZ.

Tiere, die es noch geben könnte

Während des Rundgangs werden die Besucher*innen mit lebensechten Modellen von bereits ausgestorbenen oder bedrohten Tieren konfrontiert. Die Darstellungen dieser Tiere – wie der titelgebende Dodo, der Riesenmoa oder Riesenalk (nicht googeln, wie die Tiere aussehen, lieber in die Ausstellung gehen), – lösen Faszination und Bestürzung zugleich aus. Diese Tiere könnte es noch geben, wenn der Mensch nicht wäre. „Kinder sagen oft, dies sei so schade“, berichtet die Museumsaufseherin Kornelia Lengyel der STUZ. Dennoch sei es gut, wenn Schulklassen oder Kindergeburtstage in die Ausstellung kommen. „Dann kommt Leben ins Haus“, erzählt Lengyel weiter. Der Mensch ist stets Teil der Modelle: Entweder steht er im Hintergrund oder er wird mitten im Tatprozess abgebildet. Hier kann niemand vergessen, wer der Auslöser für das Artensterben ist. Neben konkreter Ausrottung durch Jagd, Überfischung oder Wilderei, macht die Ausstellung auch auf komplexere Ursachen aufmerksam. Der menschengemachte Klimawandel ist dabei ständig präsent, nimmt er doch Lebensräume und Nahrungsquellen, was das Ende vieler Arten bedeutet.

Was tun?

Es geht jedoch nicht nur um eine Rückschau. „Tot wie ein Dodo“ blickt auch nach vorne, in das neue Jahr und in die Zukunft, die bei all der dringend benötigten Negativität besser aussehen kann. So schauen die Besucher*innen auch ein Löwe oder ein Nashorn an – aktuell bedrohte Tierarten, die noch nicht verloren sind. Laut Zahlen des Weltbiodiversitätsrat von 2019 waren von den geschätzten acht Millionen Tier- und Pflanzenarten weltweit rund eine Million vom Aussterben bedroht. In Anbetracht dieser Zahl mag die Ausstellung und die Arbeit von Museen noch bedeutender erscheinen. Museumsdirektor Dr. Herkner führt aus, dass das Naturhistorische Museum über eine Forschungssammlung mit 1,5 Millionen Objekten verfüge, mithilfe derer man den Artenwandel dokumentieren und auswerten könne. Hinweistafeln weisen auf rund sieben Millionen unentdeckte Arten hin, die ebenfalls durch Sammlungen von Museen entdeckt werden können. Es gibt also Hoffnung, auch das ist ein Gefühl, das „Tot wie ein Dodo“ vermittelt. Ebenso können Menschen, die keine Wissenschaftler*innen sind, etwas tun, damit künftige Generationen Löwen nicht nur aus alten Geschichten kennen. Herkner berichtet von positiven Besucherrückmeldungen, leider lägen aber die Besucherzahlen coronabedingt trotzdem unter den Erwartungen. Das lässt sich ändern. Wenn die letzten Plätzchen verspeist sind, bietet sich ein regnerischer Januartag perfekt für diese Ausstellung an.

Die Wanderausstellung ist noch bis zum 20. März in Mainz zu sehen. Schüler und Studis bezahlen nur 3 Euro Eintritt.

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