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Gesellschaft

Klein & Kariert

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Über Geschmack lässt sich nicht streiten? Quatsch! Vor allem vermeintliche Nebensächlichkeiten würzen die Suppe des Lebens und bieten hervorragenden Diskussionsstoff für spitzfindige Dickköpfe. Diesmal stellen wir die Frage: Händeschütteln – ja oder nein?

von Myriam Neureuther und Julius Ferber

ENDLICH ist es so weit: Karl hat gesagt, wir dürfen uns in der Schlange beim Bäcker wieder gegenseitig ins Gesicht husten. So vieles erlebt gerade ein Comeback: Der von den Wänden tropfende Schweiß in unbelüfteten Clubs, Enthüllungen über verlogene Maskendeals – es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch das Händeschütteln wieder einen festen Platz in unserem Alltag hat. Und es spricht auch wirklich alles dafür! Wie viele ikonische Händeschüttel-Videos von Trump wären uns ohne diesen Brauch verwehrt geblieben. Allein durch den Händedruck könnt ihr eurem Gegenüber signalisieren, was für ein Mensch ihr seid – gebt ihm den „Dominanten Deftigen“, die „Schlaffe Scholle“, den „Lässigen Luke“ oder natürlich den „Theatralischen Trump“. Das Händeschütteln hat aber noch ganz andere Vorteile. Wie sollen Geheimagenten in Zukunft unbemerkt weltverändernde Datenträger austauschen, wenn sie sie nicht mit einem absolut unauffälligen Händeschütteln von einer schweißnassen Handfläche in die andere kleben können? Das Händeschütteln galt schon im Römischen Reich als Symbol der Eintracht – und wir freuen uns doch alle, dass Frankfurt gegen Glasgow gewonnen hat!

Hände sind seltsame Körperteile, die den Menschen befähigen, filigranste handwerkliche Arbeiten zu erledigen. Dabei konnten es unsere verehrten Urahn*innen leider nicht belassen: Irgendeiner dieser Affen sah sich dazu bemüßigt, das Händeschütteln als Form der Begrüßung einzuführen. Eine Sitte, die bis heute dazu führt, dass ein*e jede*r regelmäßig eine mehr oder weniger trockene und schlaffe Hand zu greifen bekommt. Eine Kulturpraxis, der man außer einer Teilnahme an der nächsten Grippewelle wenig abgewinnen kann. Angedeutete Verbeugung, Fistbump oder Umarmung (in aufsteigendem Grad der Vertrautheit und absteigendem Grad des Respekts) erscheinen sicher auch den geneigten Lesenden als die würdevolleren Alternativen. Alldieweil auch nie ganz klar ist, an welchem Ort die Innenseite des Multifunktionswerkzeugs Hand nach der letzten gründlichen Wäsche herumgepatscht haben mag. Als diejenige Maxime, von der man zugleich wollen kann, dass sie ein allgemeines Gesetz werde, empfiehlt sich die Faust. Dem Gegenüber ist hierbei immer deutlich erkennbar mit fest geschlossenen Händen entgegenzutreten, um etwaigen Unklarheiten in der Absicht vorzubeugen – über das Thema Begrüßung mit dem Fuß sei an dieser Stelle bewusst der Mantel des Schweigens gelegt.

Illustration: Leon Scheich

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