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Ein Leben ohne festen Halt

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Was kreucht und fleucht im STUZ-Gebiet? Wilde Tiere vor der Haustür, Teil 21: Der Mauersegler

von Konstantin Mahlow

Die wahren Boten des Sommers sind wieder da: Mauersegler sind aus ihren Winterquartieren in Afrika zurückgekehrt und sorgen in den Innenstädten für verrenkte Hälse. Bei gutem Wetter sieht und hört man die umtriebigen Flugakrobaten praktisch überall. Doch ihre schiere Masse täuscht über die Einzigartigkeit der schwalbenähnlichen Vögel hinweg: Kaum ein anderes Wirbeltier ist so perfekt an das Leben in der Luft angepasst wie die Mauersegler. Solange sie bei uns sind, erledigen sie praktisch all ihre Beschäftigungen im Flug – sei es zu fressen, schlafen oder vögeln. Nur für die Brut müssen sie ihre bodenlose Freiheit kurzzeitig aufgeben und sich um die Nester kümmern. Sofern sie es überhaupt geschafft haben, einen geeigneten Nistplatz zu finden. Denn die sind auch im STUZ-Gebiet rar.

Alltag in luftigen Höhen

Mauersegler (Apus apus) sind Langstreckenzieher, die in der Regel von Anfang Mai bis spätestens Anfang August für das Brutgeschäft in Mitteleuropa verweilen. Sie werden oft mit Schwalben verwechselt, die eine sehr ähnliche Gestalt haben, jedoch nicht näher verwandt sind. Schuld daran ist die Anpassung an die gleichen Umweltbedingungen, konvergente Evolution genannt. Mauersegler sind vor allem an der glatten, anker-ähnlichen Flugsilhouette und insbesondere ihren schrillen Schreien zu erkennen, die im Frühsommer die Häuserschluchten erfüllen. Während Schwalben eher als Landeier bekannt sind, sind Mauersegler echte Großstadtkinder. Mit waghalsigen Manövern jagen sie in der freien Luft Insekten – oder, wie jetzt zur Balz, sich gegenseitig. Dabei rasten sie so gut wie nie. Es wird vermutet, dass Mauersegler in den zehn Monaten außerhalb der Brutzeit 99 Prozent ihrer Zeit im Flug verbringen. Etwa die Hälfte des Jahres nehmen die Non-Stop-Langstreckenflüge von und nach Südafrika ein.

Möglich macht all das die erstaunliche Spezialisierung der Vögel an ein Leben ohne festen Untergrund. So übernachten Mauersegler, wenn sie nicht gerade brüten, regelmäßig in Höhen von 500 bis 3500 Metern. Wie sie sich genau dabei erholen, ist unklar – vermutet wird eine Art Halbhirnschlaf während der Gleitphasen. Zuvor steigen sie in der Abenddämmerung auf die gewünschte Höhe empor. Auch den Geschlechtsverkehr vollziehen Mauersegler zuweilen in der Luft, allerdings nur bei gutem Wetter. Ansonsten machen es sich die Paare lieber in den Bruthöhlen gemütlich, die sie häufig an alten Gebäuden in Ritzen und Spalten anlegen. Doch die finden sie immer seltener: Mit der Modernisierung der Innenstädte verschwinden viele solcher Nistplätze, oft völlig unbemerkt von den Hausbesitzern. Obwohl die klimatischen Bedingungen für die wärmeliebenden Segler eigentlich immer besser werden, gehen ihre Bestände langsam zurück.

Mauersegler-Support in der Region

Dabei gibt es eine einfache Lösung für das Problem: Mauersegler nehmen glücklicherweise genauso gut Nisthilfen an, die in Mainz und Wiesbaden seit Jahren von engagierten Bürger:innen und Naturschutzgruppen wie BUND und NABU an diversen Gebäuden angebracht werden. Die Stadt Mainz hat sogar ein Kataster mit bekannten Nistplätzen angelegt, um im Fall einer Sanierung die verlorengegangene Bruthöhle an selber Stelle ersetzten zu können. Dabei müssen sie allerdings äußerst penibel vorgehen: Mauersegler steuern von Afrika aus kommend und nach Monaten in der Luft haargenau ihre Nistplätze vom Vorjahr an. Diese ausgeprägte „Nistplatztreue“ kann ihnen nach dessen Verlust zum Verhängnis werden. Ist die angebrachte Nisthilfe nur wenige Meter vom ursprünglichen Standort entfernt, finden die sonst so orientierungssicheren Vögel sie unter Umständen nicht mehr. Es folgt oft ein Jahr ohne Brut. Wer vor solchen Herausforderungen steht, sollte sich unbedingt mit dem zuständigen Umweltamt in Verbindungen setzen.

Auch kann es passieren, dass ein junger Segler aus dem Nest fällt. In dem Fall werden sie nicht mehr von den Eltern gefüttert und brauchen dringend Hilfe. Jungvögel können provisorisch in einem gut ausgepolsterten Karton untergebracht werden und mit Wasser und, falls es ein längerer Aufenthalt wird, mit jungen Heimchen versorgt werden. Für alles weitere sollte man auch in diesem Fall Kontakt mit den örtlichen Umweltverbänden aufnehmen, die einen nicht selten zum „Mauersegler e.V.“ in Frankfurt weiterleiten. Denn trotz aller Schwierigkeiten erfahren die faszinierenden Vögel ein erstaunlich hohes Maß an Fürsorge in der Region. So stehen die Chancen unterm Strich ganz gut, dass die Mauersegler auch in Zukunft die Sommerwende in unseren Großstädten einleiten werden.

Foto: Xjoche, X. NL via WikiCommons

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