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Wiesbaden

„Gut! Erstmal gut!“

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Die Walkmühle in Wiesbaden ist nach acht Jahren Umbau wieder geöffnet. Ein Rundgang mit dem Vorsitzenden des Künstlervereins, Wulf Winckelmann.

von Julius Ferber

Zwölf Millionen Euro, Kompromissbereitschaft und Zähigkeit. Das sind die Zutaten, die es laut Wulf Winckelmann braucht, um aus einer maroden Mühle einen modernen Kulturort zu schaffen. Der Vorsitzende des Künstlervereins Walkmühle hat sein Atelier im Gebäude. In den letzten Jahren ist er deutlich weniger zum Malen gekommen als er es sich gewünscht hätte. „Gut, erst mal gut!“, entgegnet er nun auf die Frage, wie es sich anfühlt, fertig zu sein.

Nachdem die Walkmühle seit Mitte der Nullerjahre in Teilen von Künstler:innen genutzt wurde, begann 2013 das große Entrümpeln. Vor sechs Jahren folgten dann die baulichen Eingriffe, die Winckelmanns Alltag seitdem bestimmten. Inzwischen gibt es Einzel- und Gemeinschaftsateliers für insgesamt zwölf Personen und 600 Quadratmeter Veranstaltungsfläche. Hohe weiße Wände bieten Raum für Installationen, Projektionen und weitere Kunstwerke. „Bei der Planung habe ich einen halben Elektroingenieur gemacht“, lacht Winckelmann und verweist auf den großen Einsatz der Vereinsmitglieder beim Umbau. Den Bar-Bereich hat ein befreundeter Künstler geplant und die Elemente unter der Decke, die den Hall mindern, sind selbst angeschraubt. Wo immer es möglich war, wurde der industrielle Charme der 280 Jahre alten Mühle bewahrt. Erhaltener Terrazzo-Boden und Sandsteinsockel belegen Fingerspitzengefühl am Bau.

Vor kurzem, am ersten Mai-Wochenende, war dann endlich die langersehnte Wiedereröffnung. „Ein rauschendes Fest mit tausenden Menschen, die die Tage der offenen Tür besucht haben“, berichtet Winckelmann mit leuchtenden Augen. Lichterketten und Girlanden, die zwischen den Backsteingebäuden im Wind wiegen, zeugen noch davon. Aus einem offenen Fenster surrt ein Akkuschrauber und beim Rundgang erspäht man hie und da unfertige Ecken. „Bei einem solchen Riesengebäude fehlt immer noch etwas“, betont Winckelmann. Was ebenfalls fehlt, ist ein Sponsor aus der Region, um eine:n „Artist in Residence“ zu finanzieren. Jeweils für wenige Monate soll die vereinseigene Wohnung Künstler:innen zur Verfügung stehen, um auf dem Gelände zu leben und zu arbeiten. Der Austausch zwischen den hier arbeitenden Künstler:innen war immer eine Besonderheit der Walkmühle. Aber auch mit den Kreativbetrieben, die über die letzten Jahre auf den gewerblich genutzten Flächen eingezogen sind, steht man in freundschaftlichem Verhältnis.

Veranstaltungen für Publikum

Das Hauptaugenmerk der Veranstaltungen des Künstlervereins liegt seit jeher auf der Bildenden Kunst, ergänzt wird diese durch Beiträge verschiedenster Sparten. Meist sind nicht einzelne Künstler:innen vertreten, sondern ein Leitmotiv prägt die jeweilige Ausstellung. Diskussionen, Musik, Performances oder Vortragsreihen können Teil dieser Schwerpunktausstellungen sein. Dabei legt der Verein großen Wert auf seine programmatischen Unabhängigkeit und seine Ursprünge als Graswurzelbewegung. Er versucht gesellschaftlich Relevantes zu thematisieren und ist dabei am Puls der Zeit. Bereits 2008 gab es die Ausstellung „Fluchten“ und auch eine Reihe zur Klimakrise existiert nicht erst seit Fridays for Future. Im kommenden Jahr geht es um das hochaktuelle Thema Energie. Der „Salon am ersten Mittwoch“, ein Werkstatt-Treffen, bei dem sich Besucher:innen und Kunstschaffende über unvollendete Werke austauschen können, findet dieses Jahr zum hundertsten Mal statt. Bei der Aktion „Kunst zu schenken“ in der Vorweihnachtszeit wurde die Walkmühle auch während der Bauarbeiten regelmäßig zum Markt für Kunst aus der Umgebung. Denn komplett eingestellt wurden Veranstaltungen des Vereins auch während der Sanierung des unter Ensembleschutz stehenden Geländes nie. Für eine so lange Zeit von der Bildfläche zu verschwinden, kann sich in der Kulturszene niemand leisten.

Aktuell präsentiert Christiane Erdmann noch bis zum 19. Juni die erste Ausstellung der neuen Walkmühle: „Von der Industriebrache zum Kulturort“. Sie hat fotografisch die Bauarbeiten dokumentiert und würdigt beteiligte Handwerker:innen eindrucksvoll mit einem Porträt. „Der kleinste Lehrling steht auch mal neben dem Bauleiter, da die Bilder alphabetisch sortiert sind“, erklärt Erdmann. Mal schüchtern, mal in selbstbewusster Pose blicken die Gesichter aus den aufgereihten Bilderrahmen. „Alle habe ich aber nicht erwischt“, fügt die Künstlerin verschmitzt hinzu.

Infos unter walkmuehle.net

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