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Freunde aus dem Schattenreich

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Was kreucht und fleucht im STUZ-Gebiet? Wilde Tiere vor der Haustür, Teil 22: Die Fledermäuse

von Konstantin Mahlow

Ein schwülheißer Sommerabend am Mainzer Frauenlobplatz: Die Kinder der Nachbarschaft spielen Fußball, dazwischen bemühen sich ein paar Passanten, auf ihrem Weg zu den Schnellimbiss-Läden nicht zur Zielscheibe zu werden. Ein junger Mann läuft gedankenversunken auf die Pizzeria zu, bis er plötzlich, wie aus dem Nichts, zusammenzuckt. Er schaut irritiert nach oben, bleibt für ein paar Sekunden regungslos stehen, bevor er langsam weitergeht. Wenige Meter entfernt duckt sich eine Frau erschrocken weg und zeigt mit dem Finger in den Nachthimmel. Alle paar Minuten wiederholt sich dieses Schauspiel, in der Ferne amüsiert sich eine Gruppe älterer Herrschaften über den Anblick. Den meisten ist längst klar geworden, was dahinter steckt: Ein knappes Dutzend Fledermäuse jagt zwischen den Laternen nach Faltern und anderen Fluginsekten und stört sich nicht an der Anwesenheit der schreckhaften Zweibeiner, an denen sie nur knapp vorbeifliegen. So viele wie in diesem Sommer seien es schon lange nicht mehr gewesen, erzählt man sich unten.

Das ist in dem Sinne erstaunlich, da es in Mainz laut NABU deutlich weniger Fledermäuse geben soll, als man von der Fläche der Lebensräume her erwarten könne. 2018 schrieb die AZ sogar, es „wird in Mainz kaum jemand bemerken“, wenn die Fledermäuse aus ihrer Winterruhe erwachen. Das war vermutlich damals schon maßlos übertrieben und muss es heute erst recht sein; in der Neustadt beispielsweise entdeckt man die fliegenden Säugetiere bei fast jedem Abendspaziergang. Vor allem am Rheinufer und in der Nähe von insektenreichen Grünanlagen ist es momentan leicht, sie bei der Jagd zu beobachten. Doch wie schon bei den umtriebigen Mauerseglern täuscht ihre vermeintliche Anzahl über den tatsächlichen Zustand der Populationen hinweg. Fast alle der 25 verschiedenen Fledermausarten in Deutschland stehen auf der Roten Liste. Und auch die Gründe dafür sind dieselben wie bei den Seglern: Immer weniger Insekten als Nahrungsquelle und die Sanierung von Altbauten, die von den Tieren als Quartier genutzt werden.

Immerhin ist es mittlerweile im Bewusstsein der Menschen angekommen, dass Fledermäuse keine ekelerregenden Mischwesen sind, sondern schützenswerte und nützliche Mitbewohner unserer Städte. Über Jahrhunderte hinweg wurden sie eher argwöhnisch betrachtet. Zahlreiche Mythen und Märchen ordneten sie ins Reich der Schatten ein und unterstellten ihnen, Boten von Tod und Verderb zu sein. Das weltbekannte Gemälde „Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer“ von Francisco de Goya zeigt neben Eulen und Katzen einen Schwarm riesiger, schaurig aussehender Fledermäuse, die aus der Dunkelheit näher kommen – eines von vielen Beispielen negativer Darstellungen. Und das alles nur, weil die Tiere wie Geister im Dunkeln aktiv sind und tatsächlich ein wenig wie ein Experiment der Schöpfung aussehen. Dass sie aber fleißig Stechmücken und andere Schädlinge vertilgen und so für ein ausgewogenes Ökosystem sorgen, ist den Kunstschaffenden der Vergangenheit natürlich entgangen.

Heute bemühen sich eine ganze Reihe von Privatpersonen und Naturschutzverbänden, den Fledermäusen im STUZ-Gebiet unter die Flügel zu greifen. Vor allem bei der Sanierung von alten Gebäuden muss vorher überprüft werden, ob sich Fledermäuse in Spalten und Ritzen entlang der Fassade befinden. Falls ja, sollte man unbedingt die lokale Naturschutzbehörde um Rat fragen. Für Aufsehen hat auch der Fledermausdetektor im Winterhafen gesorgt, den die Stadt Mainz in Zusammenarbeit mit dem NABU installiert hat. Er gibt die im Bereich der Ultraschallwellen liegenden Signale der Fledermäuse wieder, die sie zur Jagd oder Orientierung ausstoßen. Ein knappes Dutzend Arten dürfte es im Mainzer Becken geben, darunter die noch relativ häufige Zwergfledermaus (Pipistrellus pipistrellus), die Wasserfledermaus (Myotis daubentonii) und die Fransenfledermaus (Myotis nattereri). Viele Arten sind Zugtiere und orientieren sich auf ihren Wanderungen an Großflüssen wie den Rhein.

Die kleinen Mottenjäger vereinen eine Menge wissenschaftlicher Besonderheiten in sich – sei es schlicht die Tatsache, dass sie als Säugetiere fliegen können oder, dass sie einen großen Teil ihres Lebens kopfüber hängend verbringen. Statt sie also einfach nur zu bewundern, findet der Mensch immer einen Weg, skeptisch zu bleiben. So mehren sich seit einiger Zeit die Fragen, ob auch deutsche Fledermäuse Corona übertragen können. Können sie nicht, meint der NABU, da die heimischen Arten nicht Träger des Corona- Stammes sind, dem auch SARS-CoV-2 entstammt. Vom Verzehr kann trotzdem nur abgeraten werden.

Foto: Finnish Museum of Natural History

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