Alles für’n Barsch

Was kreucht und fleucht im STUZ-Gebiet? Wilde Tiere vor der Haustür, Teil 57: Der Flussbarsch
von Konstantin Mahlow
Immer wieder wiederholt sich das Naturschauspiel an der flachen Uferstelle im Mainzer Winterhafen: Jungfische springen scheinbar spielerisch aus dem Wasser in die Luft und wieder zurück. Ein paar Spaziergänger:innen amüsieren sich über das harmlos wirkende Verhalten der Fische und unterstellen ihnen schmunzelnd, dass das Wetter heute wohl so gut sei, dass sie nicht den ganzen Tag im Wasser verbringen möchten. Was die Spaziergänger nicht ahnen: Tatsächlich sind sie Zeuge eines erbarmungslosen Kampfes um Leben und Tod, in dem den jungen Weißfischen nichts anderes übrig bleibt, als der Sprung aus dem überlebensnotwendigen Wasser in die trockene Welt darüber. Sie werden gezielt von einer Gruppe jagender Flussbarsche an die Uferkante getrieben, wo sie keinen wirklichen Ausweg mehr finden. Für viele der Jungfische wird es an diesem warmen Nachmittag im Winterhafen der letzte Sprung gewesen sein.
Innerhalb der Gemeinschaft der Rheinfische bilden Flussbarsche (Perca fluviatilis) gefürchtete Banden, die ständig durch ihre Hood patrouillieren und Schwächere jagen. Schwärme und Trupps der gefräßigen Räuber ziehen durch die Häfen, Auen und an Uferkanten des Flusses entlang und sorgen vor allem unter Jungfischen für Angst und Schrecken. Selbst vor den eigenen halbstarken Artgenossen machen sie nicht halt. In einer gnadenlosen Welt voller Kannibalismus, ständigem Futterneid und fehlendem Gönnertum schaffen es so nur die stärksten und rücksichtslosesten Individuen in die lokale Gang und damit in eine relative Sicherheit. Auf dem Weg dorthin ist aus dem einst großen Schwarm von Jungbarschen eine kleine Truppe abgehärteter Platzhirsche geworden. Aber auch dann leben sie noch in ständiger Gefahr verursacht durch Hechte, Kormorane – und Angler. Manche der kapitalen Barsche bleiben so auf ihre alten Tage als Einzelgänger übrig.
Flussbarsche zählen zusammen mit dem Hecht und dem Zander zu den klassischen Raubfischen unserer Breiten und sind in ihrer Gestalt ziemlich unverwechselbar. Markant sind ihre geteilten, mit spitzen Stachelstrahlen ausgestatteten Rückenflossen, die schwarzen Querstreifen im Kontrast zum grünlichen Schuppenbild, die roten Bauchflossen und ihr großes Maul. Wie groß Flussbarsche werden können, hängt maßgeblich vom Lebensraum ab – ebenso vom Nahrungsangebot wie von der Konkurrenzsituation und dem Jagddruck auf die Barsche selbst. Während aus dem Rhein regelmäßig Flussbarsche mit einer Länge von 50 Zentimetern, einem Gewicht von über zwei Kilo und einem Alter von 20 Jahren gezogen werden, gibt es andernorts Baggerseen, in denen noch nie ein Exemplar von über 25 Zentimeter Länge gefangen wurde. Ihren Laich legen die Weibchen bei einer Wassertemperatur zwischen sieben und zehn Grad zwischen Wasserpflanzen, an Ästen und Steinen ab, wo sie dann von den Männchen besamt werden. In den ersten Lebensmonaten konkurrieren Jungbarsche noch mit Weißfischen um nahrhaftes Zooplankton – bis sie später ihre ehemaligen Konkurrenten selbst fressen.
Weltweit existieren über 220 Arten der Echten Barsche, zu denen im Gegensatz zum gern gegessenen Rotbarsch auch unser Flussbarsch gehört. Er gilt als der typische Vertreter seiner Familie in europäischen Gewässern und ist beinahe überall häufig zu finden. Im STUZ-Gebiet sind sonst nur noch der Kaulbarsch und der aus Nordamerika eingeführte, nicht näher verwandte Sonnenbarsch zu finden. Und auch der Flussbarsch ist ein überaus beliebter Speisefisch, unter Rheinanglern vielleicht sogar einer der beliebtesten. Dafür gibt es gleich mehrere Gründe: Sein Fleisch ist mild und zart, dabei trotzdem angenehm fest, fettarm und gleichzeitig reich an Proteinen und Vitaminen. Das Aroma wird als leicht süßlich und nussig beschrieben und ist daher auch bei Kindern beliebt. Vor allem aber ist das Fleisch äußerst grätenarm – ganz im Gegensatz zum viel größeren Hecht, der im Rhein auch regelmäßig gefangen wird. Und im Vergleich zum ebenfalls beliebten Zander kommt noch hinzu, dass Barsche allein ihrer Häufigkeit wegen von Anglern oft und gerne gefangen werden – unabhängig vom Talent.
Fliehende Beute ist für den Angler immer ein Signal, dass Jäger in der Nähe sind. Es muss an dieser Stelle ausdrücklich erwähnt werden, dass nicht jeder Jungfisch, der aus dem Wasser springt, gerade auf mitleiderregende Art um sein Leben fürchtet. Und doch ist es bei aller Brutalität ein faszinierender Anblick, raubenden Flussbarschen im flachen Wasser zuzusehen. Solange sich dort kleinere Fische aufhalten, ist das in unseren Gewässern jederzeit möglich – und macht beim Gedanken an ein zartes Barschfilet vielleicht sogar selbst hungrig.
Foto: Gilles San Martin, CC BY-SA 2.0, via Wikimedia Commons