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Brüstchen mit Rösti

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Was kreucht und fleucht im STUZ-Gebiet? Wilde Haustüre vor der Türe, Teil 11: Die Ringeltaube

von Konstantin Mahlow

Hunderte, wenn nicht tausende Mainzer*innen und Wiesbadener*innen werden jeden Morgen von den gleichen, nervtötenden Rufen geweckt. Lautmalerisch lassen sie sich als fünfsilbiges „ru-guh-gu- gu-gu“ beschreiben, das meist vier- bis fünfmal wiederholt wird und dann abrupt mit einem kurzen „gu“ endet, als ob jemand den Stecker gezogen hätte. Die Rufe gehören zu einer der häufigsten Vogelarten des Landes, der Ringeltaube. Wie der Marder oder die Krähe ist sie ein echter Kulturfolger in unseren Städten und ersetzt in der Urbanität den Hahn als zuverlässigen Weckdienst. Dennoch ist sie kaum bekannt und wird bisweilen allzu gerne mit der Straßentaube verwechselt, von der sie zu Unrecht ihren schlechten Ruf geerbt hat.

Taube ist nicht gleich Taube
Für einen Großteil der Stadtbewohner sind Tauben schlicht die „Ratten der Lüfte“, die auf unseren Häusern leben und brüten und den ganzen Tag Nahrungsreste vom Boden picken. Dabei handelt es sich aber um sogenannte Stadt- oder Straßentauben, die von verwilderten Brieftauben abstammen, die wiederum aus der Felsentaube (Columba livia) gezüchtet wurden. Seit dem Altertum leben diese verwilderten Haustiere, vergleichbar mit streunenden Hunden, mit den Menschen in Siedlungen zusammen. Ihre Vorliebe für Gebäude hat sie von der Felsentaube, die – wie der Name verrät – an Felsküsten des Atlantiks und des Mittelmeers brütet. Das führt logischerweise zu den bekannten Konflikten auf Balkonen und an Hausfassaden. Dabei handelt es sich aber um menschengemachte Probleme (wie ja bei eigentlich allem, was in der Natur falsch läuft).
Ringeltauben (Columba palumbus) haben mit dieser Entwicklung rein gar nichts zu tun. Weder laufen sie auf dem Bahnhofsplatz zwischen unseren Beinen umher noch brüten sie neben unseren Fenstern und koten dabei das Fensterbrett eine Etage tiefer voll. Sie stammen aus den Wäldern („Waldtaube“) und sind wie viele andere dem Nahrungsangebot in die Städte und Dörfer gefolgt. Diese fällt im Gegensatz zu dem der Stadttauben rein pflanzlich aus. Oft sieht man sie in Bäumen oder Sträuchern sitzen und Blätter, Knospen, Blüten, Früchte oder Beeren abernten. Brot verschmähen sie zwar nicht immer, es nimmt aber bei weitem keine so große Rolle wie bei ihren Verwandten ein. Vor allem sind sie gerade bei der ungeschützten Nahrungssuche vergleichsweise scheu – einer der größten Unterschiede zu den Stadttauben und ein eindeutiger Hinweis auf ihre wilde Herkunft. Ringeltauben fühlen sich erst auf dem Baum sitzend so richtig sicher vor uns.

Eine Markante Erscheinung
Darüber hinaus sind es Größe und Gefieder, die sie unverwechselbar machen – auch gegenüber der viel kleineren Türkentaube (Streptopelia decaocto), die im STUZ-Gebiet immer häufiger wird. Ringeltauben sind die größten Tauben Mitteleuropas und dabei rund ein Pfund schwer. Auffällig sind die namensgebenden, weißen Flecken um den Hals und die ebenfalls weißen Federn am äußeren Rand der Flügel. Oft hört man die Männchen bei ihren Revierkämpfen, wie sie mit heftigen Flügelschlägen aufeinander losgehen. Auch ihr Abflug ist vergleichsweise laut und wahrnehmbar. In Mitteleuropa sind Ringeltauben sowohl Standvögel als auch Kurzstreckenzieher, wobei gilt: Umso nördlicher die Verbreitung, desto mehr Tiere ziehen im Herbst davon. Im warmen STUZ-Gebiet verweilen dementsprechend mehr Tauben den Winter über als andernorts.

Der Fressfeind lauert stets
Im Ökosystem der Stadt sind Ringeltauben eine wichtige Beute für Habichte. Ihre Gelege werden von Mardern, Krähen und Elstern geplündert. Untersuchungen haben gezeigt, dass mancherorts nur ein Drittel der Brutversuche erfolgreich mit mindestens einem flüggen Jungtier enden. Dass Ringeltauben mit ihrer zart-rosafarbenen Brust und dem beinahe hühnergroßen Körper auch bei dem einen oder anderen Zweibeiner für kulinarische Sehnsüchte sorgt, ist übrigens kein mittelalterliches Relikt. Eine schnelle Suche über Google spuckt wohlklingende Gerichte wie „Brüstchen von der Ringeltaube mit Rösti“ oder auch „Supreme von der Ringeltaube auf Grünkohl und Mais“ aus. Na dann, guten Appetit! Dabei sei aber noch einmal erwähnt, dass das Jagen im Stadtgebiet grundsätzlich verboten ist. Zum Glück für den gefiederten Weckdienst.

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