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Geflügelte Mobbing-Opfer

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Was kreucht und fleucht im STUZ-Gebiet? Wilde Tiere vor der Haustür, Teil 25: Die Stockente

von Konstantin Mahlow

Jeder kennt, die meisten mögen sie: Stockenten sind beliebte Bewohner menschennaher Gewässer von Tümpel- bis Stromgröße. Immer da, watscheln sie oft etwas unbeholfen über die Treppenstufen am Rheinufer auf der Suche nach Brotkrümeln und anderem Junk-Food. Die scheinbar verpeilten Donalds und Daisys bringen einem schnell zum Schmunzeln, wenn sie aufgeregt zu schnattern anfangen, nur weil man ihnen einen Schritt zu nahe gekommen ist. Oder sie frech ihren fälschlicherweise als Schwänzchen besungenen Bürzel aus dem Wasser strecken, um nach Nahrung zu gründeln. Was aber kaum einer weiß: Die uns so sympathischen Vögel stehen in der Beliebtheitsskala am Gewässer ganz weit unten. Und nur allzu oft werden sie Opfer fieser Attacken durch ihre Nachbarn.

Die Stockente (Anas platyrhynchos) ist die häufigste der 15 Wildentenarten in Deutschland. Seit mindestens 300 Jahren siedelt sie sich verstärkt in unseren Städten an. Stockenten ernähren sich omnivor, sind also wie der Mensch Allesfresser. Das und ihre anspruchslose Nistplatz- und Habitatswahl sind perfekte Voraussetzungen für ein Leben zwischen Kaimauern und Frachtschiffen. Selbst Brunnen und kleinste Teiche inmitten der Innenstädte werden besiedelt. Am liebsten suchen sie dort nach Samen, Früchten und einer ganzen Bandbreite von Pflanzen, die sie sowohl an Land als auch im Wasser finden. Wasserpflanzen werden beim bekannten Gründeln gefressen, in dem sie die Pflanzenteile direkt vom Gewässerboden abbeißen. Brot ist dagegen nur eine gelegentliche Beilage und prinzipiell ungesund für die Tiere. Dennoch ist das Füttern von Enten hierzulande fast schon eine Tradition, die aber auch aufgrund der damit einhergehenden Veränderung des Ökosystems nicht zu empfehlen ist.

In Mitteleuropa halten sich Stockenten, die ferner die gesamte Nordhalbkugel sowie Australien und Neuseeland bewohnen, das ganze Jahr über auf. Die Brutzeit beginnt Mitte März und reicht bis Ende Juni. Das ist darüber hinaus die Zeit im Jahr, in der auch viele Bürger:innen im STUZ-Gebiet eine enge Verbindung zu Stockenten aufbauen. Vor allem dann, wenn die Weibchen in nahe an Wasser gelegenen Straßen die Hinterhöfe, Balkone oder Hausdächer zum Brüten aufsuchen. Die erste Wanderung der Entenmama samt ihrer Küken ans Gewässer ist ein oft medial verbreitetes Nachbarschafts-Erlebnis. Hin und wieder muss man dabei den Anblick aushalten, wie ein Küken nach dem anderen einen scheinbar viel zu hohen Abgrund herunterspringt, während sie dabei von der Mutter angefeuert werden. Den flauschigen Entchen passiert dabei in der Regel nichts, selbst wenn sie aus mehreren Meter Höhe mit dem Kopf voran auf einen Stein fallen. Ihre ersten Tage sind dennoch gefährlich, da sie auf der Speisekarte einer ganzen Reihe von Prädatoren stehen. Auch die Mutter wird in dieser Zeit öfter erlegt, was zu dem häufig zu sehenden Phänomen führt, dass es in einem Bestand mehr Erpel als (weibliche) Enten gibt.

In den letzten Jahren ist für Stockenten aber noch eine weitere Gefahr hinzugekommen. Die eingeführten Nilgänse mobben die körperlich unterlegenen Enten regelrecht und vertreiben sie aus ihren Revieren, wo sie Futter und Nistplätze für sich beanspruchen. Das kann mitunter grausame Züge annehmen: Nilganspaare ticken bei dem Anblick einer Entenmutter und ihrer Küken in manchen Momenten völlig aus und massakrieren die Jungen – vor allem dann, wenn sie selber welche haben. Ein schwer zu ertragener Anblick, dem man meistens hilflos gegenüber steht. Und umgekehrt dafür sorgt, dass es vielerorts immer weniger Enten und dafür immer mehr Gänse gibt. Das passiert aber offenbar nicht zwangsläufig: In Wiesbaden hat eine Studie ergeben, dass die Nilgänse im Kurpark die Stockenten und anderen Wasservögel in Ruhe lassen. Dafür töten sie öfter die Küken konkurrierender Gänsefamilien. Der NABU spricht von den Attacken auf Enten als seltene Ausnahmen und sieht keine langfristige Gefahr.

Zumindest kurzfristig geht die schon eher von einem anderen Nachbarn aus: Die am Rhein häufigen Graureiher jagen und verspeisen die wehrlosen Küken für ihr Leben gern. Sie dürften einer der Hauptgründe sein, warum am Wasser die Entenfamilien bei jedem Spaziergang kleiner werden. Doch nicht umsonst können Entenmütter bis zu sechzehn Eier pro Brut legen. Ein gewisser Verlust ist also von vornherein eingeplant und Teil des natürlichen Kreislaufs, selbst in der Innenstadt. Auch wenn das manchmal schwer zu akzeptieren ist.

Foto: Denitsa Kireva

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