Engagement für Kiebitz und Co.

Nur wer die Natur kennt, kann sie auch schützen. Gerardo Unger Lafourcade von der Gesellschaft für Naturschutz und Ornithologie in Rheinland-Pfalz e. V. (GNOR) erzählt von der Arbeit gegen das Aussterben.
von Konstantin Mahlow
Im Außenbereich der Kneipe „Die Kugel“ staunen die Gäste nicht schlecht, als ein vermeintlicher Flashmob von über hundert Menschen die Hindenburgstraße entlang in Richtung Goetheplatz marschiert. Dass der von der SPD organisierte Vogelstimmenrundgang durch die Neustadt auf dermaßen großes Interesse stoßen würde, war nicht absehbar. Doch in Mainz scheint es mehr Hobby-Ornithologen zu geben als angenommen. Das freut auch Gerardo Unger Lafourcade, festangestellter Projektleiter bei GNOR und Leiter des Rundgangs: „Ich sehe das als Naturschutzarbeit, wenn ich den Leuten zeigen kann, was vor ihrer Tür alles lebt. Naturschutz geht letztendlich von den Menschen aus, er muss ihnen auch was bieten können.“ Die Formel ist einfach: Je größer das Interesse an Flora und Fauna, desto größer die Bereitschaft, sie zu schützen. Und Schutz braucht die Natur dringender denn je.
Abseits des Vogelstimmenrundgangs ist Unger Lafourcade in den Räumlichkeiten des gemeinnützigen Vereins in der Osteinstraße anzutreffen. 1977 hat sich GNOR in Bad Münster am Stein gegründet, in der Mainzer Geschäftsstelle ist Unger Lafourcade seit 2020 angestellt. Zuvor war er als ehrenamtliches Mitglied im Verein aktiv und half unter anderem beim Monitoring rheinland-pfälzischer Vogelarten. GNOR wird im Rahmen der „Aktion Grün“ vom Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität finanziert. Im Gegensatz zum NABU Rheinland-Pfalz mit fast 70.000 Mitgliedern, sieht sich GNOR mit rund 700 Mitgliedern als Fachverein, der laut Unger Lafourcade „die Schutzarbeit erledigt, die der Staat gerne machen möchte, aber nicht kann“. Zu dieser Arbeit gehören die Förderung des Naturschutzes, die Landschaftspflege und die Durchführung und Auswertung ökologischer Untersuchungen wie das Zählen von Vögeln. Dabei kann der Verein auf ein gewachsenes, ehrenamtliches Netzwerk zurückgreifen, ohne dessen Flexibilität und Teilhabe das nicht zu bewältigen wäre: „Die meisten Ehrenamtlichen bei uns machen irgendwann auch aktiv bei der Arbeit mit. Das könnten die Behörden in dem Umfang gar nicht“, erklärt Unger Lafourcade. Es ist gewissermaßen ein Outsourcing von Umweltarbeit, für deren Verrichtung Leidenschaft notwendig ist. Als wir gegen 18 Uhr unser Gespräch führen, ist Unger Lafourcade bereits seit sieben Uhr morgens unterwegs. Der junge Familienvater hat an der TH Bingen Umweltschutz im Bachelor und Landwirtschaft und Umwelt mit ornithologischem Schwerpunkt im Master studiert. Neben dem Monitoring-Projekt ADEBAR – dem Atlas deutscher Brutvögel – ist er aktuell als Leiter des Kiebitz-Projekts Rheinland-Pfalz tätig. Der heute vom Aussterben bedrohte Brutvogel war auf deutschen Äckern einst weit verbreitet: „Der Kiebitz ist ein Kulturfolger, der das Zusammenspiel zwischen Mensch und Natur braucht. Eigentlich ist er ein sehr anpassungsfähiger Vogel, der sogar zwischen den Folienabdeckungen auf den Spargelfeldern brütet, solange er einen feuchten Boden mit genug Nahrung findet“, erzählt Unger Lafourcade. Genützt hat das nichts, der Bestand ist in den vergangenen Jahrzehnten um 90 Prozent eingebrochen.
Ursächlich sind Faktoren wie die Intensivierung der Landwirtschaft, die steigende Trockenheit und der Verlust der am Boden liegenden Nester durch Feldarbeit oder Prädatoren – etwa den stark verbreiteten Fuchs. Der Aufwand ist groß, weiß Unger Lafourcade: „Wir reden mit Landwirten, wenn Kiebitze auf ihren Äckern brüten, um die Flächen dann einzuzäunen und zu bewachen. Und wir päppeln jedes Jahr bis zu 50 Kiebitze im Zoo Landau auf, die ausgewildert werden, um die bestehenden Populationen zu stärken.“ Zu den letzten Brutgebieten gehört das Laubenheimer Ried in Mainz, auch hier gibt es eingezäunte Bereiche für die Vögel. „Natürlich haben sie sich dieses Jahr dann doch dazu entschlossen, lieber auf einem benachbarten Feld in Bodenheim zu brüten. Dort konnten wir zwar auch einen Zaun aufbauen, aber als die Nahrung knapp wurde, haben sie sich außerhalb verteilt“, berichtet Unger Lafourcade. Das traurige Ergebnis: Keines der Jungtiere im Ried hat es geschafft, während es im Vorjahr noch zwölf waren. Aber der Experte bleibt optimistisch: „Der Abwärtstrend ist insgesamt erst einmal gestoppt, die Kiebitze werden nicht weniger. Aber es gibt noch viel zu tun.“
Für den Schutz der Kiebitze ist er in ganz Rheinland-Pfalz unterwegs und arbeitet mit einem Team von vier bis fünf Mitarbeitenden und 80 Ehrenamtlichen zusammen. Viel Arbeit für die knapp 150 Brutpaare im Bundesland. Doch für Unger Lafourcade steht der Nutzen nicht zur Disposition: „Wir haben einen gesetzlichen Auftrag, unsere heimischen Arten nicht aussterben zu lassen. Dafür gibt es eine staatliche Verpflichtung.“ Eine Verpflichtung, die das Land an GNOR weiterreicht – und damit in gute Hände.
WTF
Wer sich informieren, helfen oder ein freiwilliges ökologisches Jahr absolvieren möchte, findet alles Wissenswerte unter: gnor.de