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Gesellschaft

„Die AfD ist keine demokratische Partei“

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Die ehemalige AfD-Politikerin Franziska Schreiber hat ein Buch über ihre Zeit in der kontrovers diskutierten Partei AfD geschrieben. Ende März spricht sie im Wiesbadener Schlachthof. Wir haben mit ihr über das Phänomen AfD und ihre Zeit danach gesprochen.

Interview: Jonas Julino

STUZ: Frau Schreiber, ihr Buch „Inside AfD – Der Bericht einer Aussteigerin“ kommt sicherlich nicht bei jedem gut an. Wie fallen die Reaktionen darüber aus?
Schreiber: Unterschiedlich. Das Buch ist der erste Bericht über innerparteiliche Vorgänge aus Sicht einer Insiderin. Beleidigungen sind die Regel. Manchmal wünscht man mir vergewaltigt zu werden. Auch Morddrohungen sind dabei. Nichtsdestotrotz bekomme ich viele positive Rückmeldungen. Auch von ehemaligen Parteikollegen.
Sie berichten beispielsweise von einem Treffen zwischen Frauke Petry und Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen. Das hat bereits vor der Veröffentlichung für Aufsehen gesorgt. Waren Ihnen die Ausmaße des Buches bewusst?
Überhaupt nicht. Mit dem Buch wollte ich meine Erfahrungen verarbeiten und Fakten auf den Tisch bringen. Das mediale Echo hat mich etwas überrascht. Für mich ist es wichtig, den Menschen zu zeigen, wie die Partei wirklich tickt.
Wie hat das Kapitel AfD seinen Anfang genommen?
Ich war schon immer ein politischer Mensch. Bei uns zuhause wurde oft über Politik geredet. Vor meinem Eintritt habe ich FDP und CDU gewählt. Doch mit dieser Politik war ich unzufrieden. Der Erneuerungsgedanke der AfD und Themen wie beispielsweise mehr Bürgerbeteiligung haben mir sehr gefallen. Deshalb bin ich 2013, kurz nach der Gründung, in die Partei eingetreten.
Dann haben Sie schnell Karriere gemacht.
Als junge Frau wurde es mir leicht gemacht. Ohne jegliche Erfahrung wurde ich schnell Pressesprecherin und Vorsitzende der Jungen Alternativen in Sachsen. Später war ich im Bundesvorstand. Mein Leben bestand nur noch aus der AfD. Meine Facebook-Timeline war voll von verschwörerischen Posts. Ich verlor alte soziale Kontakte.
Sie bezeichnen sich selbst als Aussteigerin. Im Normalfall tritt man aus Parteien aus. Ausstieg klingt nach einer Sekte.
Das habe ich bewusst und zurecht so gewählt. Vor allem die extremen Reaktionen auf mein Buch zeigen, die AfD ist keine normale, demokratische Partei. Es wird im Innern viel Druck ausgeübt und Demagogie betrieben. Das ist ein sektenartiges Verhalten.

Wie hat sich das bemerkbar gemacht?
Nach außen kapselt man sich ab. Es wird zwar versucht, neue Mitglieder zu gewinnen, Presse und andere Meinungen sind nicht erwünscht. Man möchte unter sich bleiben. Kritik wird mit Verrat gleichgesetzt. Bei der Außendarstellung heiligt der Zweck die Mittel. Es werden Zahlen und Fakten hemmungslos übertrieben wiedergegeben.
Können Sie ein Beispiel nennen?
In meiner Zeit als Pressesprecherin haben wir beispielsweise Flüchtlingszahlen für unsere Zwecke geschönt. Als die meisten Flüchtlinge 2015 nach Deutschland kamen, haben wir Ankunftszahlen von drei Monaten hochgerechnet. Diese Zahlen haben wir vom BAMF erhalten und sie stimmten. Wir schrieben sie ganz klein auf ein Plakat. Daneben groß und in Rot die Hochrechnung. Die Zahl war so absurd hoch, dass sie niemals stimmen konnte. Das war uns egal. Wir haben uns vieles schlichtweg ausgedacht.
Warum haben Sie solche Verfälschungen und andere rhetorische Ausreißer, wie Höckes „Denkmal der Schande“, bis kurz vor der Bundestagswahl 2017 mitgetragen?
Wie ich, litten viele unter einer Art kollektiven Psychose. Entweder man glaubt, was gesagt wird, oder redet es sich schön. Außerdem dachte ich, ich könnte die Radikalen in der Partei oder in der Jugendorganisation irgendwann zur Vernunft bringen. Ich habe für eine gemäßigte, liberale Partei geworben. Parteiintern war ich in der Opposition. Hätte ich das Kapitel AfD früher beendet, hätten andere, wohlmöglich Radikale meine Ämter bekommen. Ich bin kurz vor der Bundestagswahl öffentlich ausgestiegen, um mediale Aufmerksamkeit zu bekommen und um mehr Menschen zu erreichen. Neben mir sind letztlich noch weitere Mitglieder ausgestiegen.
Wie hat sich die Partei während Ihrer aktiven Zeit verändert?
Fakt ist, es gab schon immer nationalistische Strömungen in der Partei, auch unter Bernd Lucke. Doch der liberale Kern stand im Fokus, was ich unterstützte. Früher war die Alternative die bessere FDP für mich. Meinungsfreiheit und eine strikte Wirtschaftspolitik gefielen mir. Ab 2015 spaltete sich die Partei im Innern zunehmend. Heute dominiert der „Flügel“ um Björn Höcke. Die Partei wird von Menschen geleitet, die zutiefst völkische und rassistische Überzeugungen teilen.
Der Verfassungsschutz hat die AfD als Prüffall eingestuft. Ist die Partei noch zu retten?
Nein. Die Dominanz der Radikalen ist zu groß. In manchen Kreisverbänden kommt der „Flügel“ auf 80 Prozent Zustimmung. Die Partei ist ein Sammelbecken für radikale Gruppen. Die gemäßigten Mitglieder haben keine Chance mehr, die Partei in eine andere Richtung zu lenken. Deshalb bin ich gegangen. Ich halte auch ein Verbot in näherer Zukunft für nicht ausgeschlossen.
Würden Sie sagen, die AfD ist gefährlich?
Ja, ist sie! Sie gefährdet die Demokratie, weil sie für diese nicht einsteht. Manchen Journalisten wird heute schon der Zugang zu einigen Veranstaltungen verwehrt. Rassismus und völkischer Nationalismus stehen auf der Tagesordnung.
Es ist schwer mit Menschen zu reden, die der AfD Nahe stehen. Was würden Sie raten?
Da gilt das alte Politik-Sprichwort: „Hart in der Sache, weich zum Menschen“. Falsche Aussagen müssen angesprochen und diskutiert werden. Man darf aber niemals den Menschen hinter einer Meinung vergessen. Ein menschlicher Umgang und Aufklärungsarbeit bringen da am meisten.
Und das Buch soll seinen Teil dazu beitragen.
Das hoffe ich. Zunächst war das Schreiben gut, um das Erlebte zu verarbeiten. Seit einiger Zeit gehe ich in Schulen und spreche mit Schülern über die Gefahren der AfD und deren Weltbild. Bei Lesungen berichte ich über die Zeit, diskutiere mit den Zuhörern und stelle mich deren Fragen. Der Plan für die Zukunft ist, nach dem Erfahrungsbericht, einen Ratgeber über Rechtspopulismus zu veröffentlichen.

Franziska Schreiber ist heute 28 Jahre alt. In einem links-bürgerlichen Elternhaus aufgewachsen, führte sie ihr politisches Interesse 2013 zur Alternative für Deutschland (AfD). Vier Jahre lang war sie Mitglied. Als junge Frau machte sie schnell Karriere und war unter anderem Pressesprecherin, stellvertretende Vorsitzende und später Vorsitzende der Jungen Alternativen (JA) in Sachsen. Kurz vor der Bundestagswahl 2017 trat sie öffentlich aus der Partei aus. Im August 2018 erschien ihr Buch „Inside AfD – Der Bericht einer Aussteigerin“ im Europa-Verlag und sorgte prompt für viel Aufsehen. Heute betreibt sie in Schulen und bei Lesungen Aufklärungsarbeit gegen rechts. Am Donnerstag, 28. März, kommt sie mit ihrem Buch in den Schlachthof nach Wiesbaden.

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