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Mainz

Rap aus der Wohlstandsblase

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Wenn das Leben dir eine Limo gibt, hab Basilikum dabei: Der Rapper Dr. Johnson hält auf seiner neuen „Trigger EP“ der pseudomoralischen Gesellschaft den Spiegel vor.

von Konstantin Mahlow

Am 6. Mai erscheint über den Musikvertrieb VinylDigital die „TRIGGER EP“ von Dr. Johnson. Der Amerikanistik-Student stammt aus der Nähe von Heidelberg und wohnt seit acht Jahren in Mainz. In den letzten Jahren sammelte er bereits fleißig Bühnenerfahrung in den relevanten Locations der Stadt und veröffentlichte zwei Longplayer auf Spotify und Soundcloud. Im April präsentierte er als Voract von Retrogott und Hulk Hodn im schonschön die erste Single der TRIGGER EP, „Der Hedonist“, am 22. des Monats folgten die Tracks „Unten am Fluss“ und „Flimmern“. Aufgestaute Emotionen, kritische Texte, düstere Synthi-Beats mit Trap-Einflüssen – die im Mainzer Postlager zusammen mit dem Produzenten szun_audio entstandene EP beherbergt ein „hartes Brett“ nach dem anderen. STUZ hat sich mit dem 29-Jährigen auf ein Radler am Rheinufer getroffen, um über sein aktuelles Werk zu reden.

Wie lebt es sich als Rapper in einer hedonistischen Gesellschaft?

Es lebt sich auf jeden Fall selbstkritisch. Überall lauert das Risiko, Doppelstandards zu entdecken oder sich sogar dabei selbst zu ertappen, wie ignorant man diesen gegenüber ist. Man erwischt sich dabei, wie man in einer absoluten Wohlstandsblase lebt, in der man den Luxus hat, sich von vielen politischen Themen einfach zu distanzieren. Aber Rap kann das anprangern und dabei eine Haltung zeigen, auch wenn die oft zynisch ist.

Meinst du auch diese Doppelstandards, wenn du sagst: Ich glaub nicht an den Hype, doch der Rummel ist real?

Man sagt oft: „The hype is real“ oder „don’t believe the hype“. Ich sage: Es ist ein schmaler Grat zwischen Doppel und Moral. Es geht darum, diese grundsätzliche Doppeldeutigkeit in unserer Gesellschaft und unserem Konsumverhalten bloßzustellen. Dem moralischen Zeigefinger einen ordentlichen Mittelfinger entgegenzuhalten. Es geht auf der EP aber auch um andere aktuelle Themen wie Sexismus und den digitalen Verdruss.

Trotzdem scheint die Kritik an dem verunsicherten Zeitgeist das zentrale Thema zu sein. War das schon immer deine Motivation?

Es war zumindest schon immer eine Aufgabe vom Rap, die Komfortzone zu verlassen und sein eigenes Verhalten zu reflektieren. Meine früheren Tracks waren da noch etwas anderes. Die Texte waren wie die Musik, viel warmherziger und jazziger, eher zum Entspannen und Wohlfühlen. Es sind vor allem die Beats von meinem Produzenten szun_audio, die meine kritische, vielleicht sogar düstere Seite hervorgebracht haben. Sie haben meinen Textskizzen den passenden Rahmen gegeben und mir erlaubt, was Neues zu machen. Die Zusammenarbeit hat mir zu einem neuen Level der Professionalität verholfen.

Ihr beide habt euch letztes Jahr ins Postlager zurückgezogen und an der EP gewerkelt. Welchen Anteil hat szun_audio genau?

Er hat fünf von sechs Beats gebaut und die komplette EP produziert. Er hat die Soundästhetik zu meinem kreativen Input geliefert…

Auch zu: „Herabschauender Hund“, dem wichtigsten Song der EP?

DJ: Ja, das war der intensivste Track vom Recording- Prozess her, weil er sehr lange Storytelling- Parts enthält. Der Song kritisiert den kulturellen Imperativ, der einen zwingt, sich ständig selbst zu optimieren. Moralische Reinwaschung ist zu einem Geschäftsmodell geworden: Schrei in die Echokammer bis das Trommelfell platzt / Renne taub durch die Welt – alles richtig gemacht!

Du kommst aus der Nähe von Heidelberg und bist in den Nullern aufgewachsen, führte überhaupt ein Weg an Rap vorbei?

DJ: Durch den Musikeinfluss meines Bruders habe ich jedenfalls schon früh mitbekommen, dass Heidelberg ein großes Standing im Deutschrap hat. Die Oldschool-Veteranen haben auf jeden Fall meine ersten Rapversuche geprägt. Inzwischen versuche ich aber meine eigenen Wege zu gehen. Es muss ja nicht alles klingeln wie Torch, hört man zum Beispiel in meinem Intro. Es geht hier ja auch ein wenig um einen Rapper auf Identitätssuche, der etwas Neues wagt. Generell höre ich aber eigentlich wenig Rap und sehr viel andere Musikrichtungen, von Indie Rock bis Country und Blues. Wenn es um aber Rap geht, dann inspirieren mich heute vor allem Künstler wie K.I.Z. oder Zugezogen Maskulin mit ihrem unverschönten Blick auf die heutige Gesellschaft. Selbstkritisch, nicht von oben herab.

WTF: Die TRIGGER EP ist ab dem 6. Mai auf Spotify und Soundcloud zu hören. Augen auf für anstehende Konzerte im STUZ-Kalender oder auf Instagram unter doktor.johnson

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